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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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machen Sie immer bei ihm sauber?«
    »Immer morgens um zehn, und hinterher fege ich dann die Treppe.«
    »Haben Sie sie auch heute früh gefegt?«
    »Weshalb denn nicht?«
    »Und vorher bringen Sie die Morgenpost hinauf?«
    »Nicht in den fünften Stock, denn der alte Herr bekommt wenig Briefe und hat’s nicht eilig, sie zu lesen. Die Leute im dritten Stock arbeiten beide nicht im Hause, sie gehen schon um halb neun fort und holen sich im Vorbeigehen die Post in der Loge ab.«
    »Selbst wenn Sie nicht da sind?«
    »Ja, selbst wenn ich gerade meine Besorgungen mache. Ich schließe nie ab. Ich kaufe alles hier in der Straße und werfe dabei immer wieder einen Blick auf das Haus. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich das Fenster öffnete?«
    Alle erstickten fast vor Hitze. Sie waren wieder in den ersten Raum zurückgegangen. Nur Janvier durchsuchte wie am Morgen in der Rue Notre-Dame-de-Lorette alle Schubfächer und Schränke.
    »Sie tragen die Post also nur bis in den zweiten Stock hinauf?«
    »Ja.«
    »Und um zehn Uhr sind Sie dann zum fünften Stock hinaufgegangen und dabei an der Tür hier vorbeigekommen.«
    »Ich habe gesehen, daß sie angelehnt war. Ich habe mich zwar gewundert, aber doch nicht so sehr. Als ich wieder herunterkam, habe ich gar nicht mehr daran gedacht. Ich hatte alles für meinen Herrn zurecht gemacht und bin erst um halb fünf wieder hinaufgegangen, weil das immer die Zeit ist, wo ich ihm sein Abendessen bringe. Als ich danach wieder herunterkam, habe ich gesehen, daß die Tür noch immer angelehnt war, und da habe ich unwillkürlich halblaut gerufen: Comtesse!
    So wird sie nämlich von allen genannt. Sie hat einen ausländischen Namen, der sich schwer aussprechen läßt. Es ist viel einfacher, Comtesse zu sagen. Aber es hat niemand geantwortet.«
    »Brannte Licht in der Wohnung?«
    »Ja. Ich habe nichts angerührt. Die Lampe hier brannte.«
    »Und die im Schlafzimmer?«
    »Genauso wie jetzt. Ich habe nicht am Schalter gedreht. Ich weiß nicht, warum ich gleich eine böse Ahnung hatte. Ich habe den Kopf durch den Türspalt gesteckt und noch einmal gerufen. Und dann bin ich widerwillig hineingegangen. Ich kann nämlich schlechte Gerüche nicht ertragen. Ich habe in das Schlafzimmer hineingeguckt, und da sah ich dann…
    Ich bin dann gleich hinuntergelaufen und habe die Polizei angerufen. Da außer dem alten Herrn niemand sonst im Hause war, habe ich die Concierge von nebenan, mit der ich befreundet bin, herübergerufen, weil es mir allein unheimlich war. Verschiedene Leute haben uns gefragt, was passiert sei. Wir standen gerade mit mehreren vor der Haustür, als der Inspektor gekommen ist.«
    »Ich danke Ihnen für Ihre Auskünfte. Wie heißen Sie?«
    »Madame Aubain.«
    »Ich danke Ihnen, Madame Aubain. Sie können jetzt wieder in Ihre Loge gehen. Ich höre Schritte, das ist sicherlich der Doktor.« Aber es war noch nicht Dr. Bloch, sondern der Amtsarzt, derselbe, der am Morgen Arlettes Tod festgestellt hatte.
    Nachdem er dem Kommissar die Hand gedrückt und Lognon gönnerhaft zugenickt hatte, ging er in das Schlafzimmer: »Noch eine!« rief er.
    Die Würgemale an der Kehle ließen keinen Zweifel, auf welche Art die Gräfin ermordet worden war. Ebenso wie die blauen Punkte an den Schenkeln klar erkennen ließen, daß sie hochgradig süchtig gewesen war. Er roch an einer der Spritzen und zuckte die Schultern: »Morphium natürlich!«
    »Haben Sie sie gekannt?«
    »Nie gesehen. Aber ich kenne einige dieser Leute hier im Viertel. Sagen Sie, es sieht doch so aus, als ob das ein Raubmord wäre?«
    Er deutete auf das Loch in der Matratze und das herausgerissene Roßhaar.
    »War sie reich?«
    »Darüber wissen wir noch nichts«, antwortete Maigret.
    Janvier, der mit der Spitze seines Taschenmessers schon eine Weile das Schloß einer Kommode zu öffnen versuchte, rief:
    »Hier ist eine ganze Schublade voller Papiere.«
    Ein ziemlich junger Mann kam eilig die Treppe herauf. Es war Dr. Bloch. Maigret bemerkte, daß der Amtsarzt ihn nur mit einem kühlen Nicken begrüßte und es ausdrücklich vermied, ihm kollegial die Hand zu drücken.

 
    VIERTES KAPITEL
     
     
     
    Dr. Bloch hatte eine seltsam matte Haut, unnatürlich glänzende Augen und fettiges schwarzes Haar. Er schien sich bei den Neugierigen auf der Straße weder aufgehalten, noch die Concierge befragt zu haben. Janvier hatte ihm nämlich am Telefon nichts von dem Mord gesagt, sondern nur, daß die Gräfin tot sei und der Kommissar ihn

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