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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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sie?«
    »Wie immer um diese Zeit.«
    »Kam sie jede Nacht?«
    »Nein, nur hin und wieder, wenn sie das Gefühl hatte, noch nicht auf ihre Rechnung gekommen zu sein. Sie trank ein Glas oder zwei, irgend etwas Scharfes, bevor sie schlafen ging, und hielt sich nie lange auf.«
    »In der letzten Nacht auch nicht?«
    »Sie wirkte ziemlich erregt, hat mir aber nichts gesagt. Ich glaube, sie hat überhaupt kein Wort gesprochen, außer als sie ihre Bestellung machte.«
    »War nicht zu der Zeit ein älterer, kleiner, dicker Mann mit grauem Haar hier?«
    Maigret hatte vor den Journalisten den Namen Oskar absichtlich nicht erwähnt, und darum war er auch in den Zeitungen nicht genannt worden. Aber er hatte Fred nach ihm gefragt, und Fred hatte es vielleicht dem Heuschreck wiedererzählt, der…
    »Habe so einen nicht gesehen«, antwortete der Wirt mit etwas verdächtiger Bestimmtheit.
    »Kennen Sie nicht einen gewissen Oskar?«
    »Oskars gibt’s hier im Viertel haufenweise, aber ich kenne keinen, der so aussieht.«
    Maigret trat zu dem Gnom, der nur zwei Schritte von ihm entfernt stand.
    »Hast du mir nichts zu sagen?«
    »Nichts Besonderes, Kommissar.«
    »Hast du die ganze Nacht vorm Picratt gestanden?«
    »Ja, fast die ganze Nacht. Ich bin nur zwei- oder dreimal ein Stück die Rue Pigalle hinaufgegangen, um die Karten zu verteilen. Und dann war ich auch hier, um für einen Amerikaner Zigaretten zu holen.«
    »Kennst du den Oskar nicht?«
    »Nie was von ihm gehört.«
    Er war keiner von den Leuten, die sich von der Polizei oder sonst irgendwem einschüchtern lassen. Er schien sogar absichtlich den forschen jungen Mann zu spielen, um die Gäste damit zu amüsieren.
    »Hast du auch Arlettes Freund nicht gekannt?«
    »Sie hatte einen Freund? Das Neueste, was ich höre.«
    »Hast du nie gesehen, wie jemand sie am Ausgang erwartete?«
    »Das ist schon mal vorgekommen. Gäste.«
    »Ist sie mit ihnen mitgegangen?«
    »Nicht immer. Manchmal wurde sie sie nur schwer los und mußte sich dann hierher verdrücken, damit sie ihr nicht nachstiegen.«
    Der Wirt, der ungeniert zuhörte, nickte zustimmend.
    »Bist du ihr nie tagsüber begegnet?«
    »Morgens schlafe ich, und nachmittags gehe ich zum Rennen.«
    »Hatte sie keine Freundin?«
    »Hm, Betty und Tanja. Aber sehr dick war die Freundschaft nicht. Tanja und sie konnten sich, glaube ich, nicht besonders leiden.«
    »Hat sie dich nie gebeten, ihr Rauschgift zu besorgen?«
    »Wofür?«
    »Für sie selbst.«
    »Nein, bestimmt nicht. Die hob zwar gern einen und manchmal sogar zwei oder drei, aber gekokst oder so was hat die nie.«
    »Also du weißt nichts von ihr.«
    »Bloß, daß sie das schönste Mädchen war, das ich je gesehen habe.«
    Maigret musterte die Mißgeburt von Kopf bis Fuß und fragte dann zögernd: »Hast du was mit ihr gehabt?«
    »Na ja, warum nicht. Ich habe noch ganz andere gehabt. Und nicht bloß alte Ziegen, sondern Klasseweiber.«
    »Das stimmt«, schaltete sich der Wirt ein. »Ich weiß nicht, wie das kommt, aber sie sind immer ganz wild hinter ihm her. Ich habe selber gesehen, wie nicht nur alte Schachteln, sondern knusprige Junge gegen Ende der Nacht hier eine Stunde und länger auf ihn gewartet haben.«
    Der große Mund des Gnoms verzog sich wie Gummi zu einem geschmeichelten und hämischen Lächeln.
    »Das wird wohl seinen Grund haben«, sagte er mit einer obszönen Bewegung.
    »Hast du mit Arlette geschlafen?«
    »Habe ich Ihnen doch eben gesagt!«
    »Oft?«
    »Jedenfalls einmal.«
    »Hat sie es gewollt?«
    »Sie hat gemerkt, daß ich scharf darauf war.«
    »Und wo ging das vor sich?«
    »Im Picratt natürlich nicht. Kennen Sie das ›Modern‹ in der Rue Blanche?«
    Die Polizei kannte dieses Absteigequartier natürlich.
    »Also da sind wir hingegangen.«
    »War sie leidenschaftlich?«
    »Die war mit allen Wassern gewaschen.«
    »Hat’s ihr Spaß gemacht?«
    Der Gnom zuckte die Schultern.
    »Selbst wenn die Frauen keinen Spaß dran haben, tun sie so, und je weniger sie dabei fühlen, desto mehr strengen sie sich an.«
    »War sie heute nacht betrunken?«
    »Wie immer.«
    »Und hatte sie was mit dem Wirt?«
    »Mit Fred? Hat er Ihnen das gesagt?«
    Er dachte einen Augenblick nach und leerte bedächtig sein Glas.
    »Aber das geht mich nichts an«, sagte er dann.
    »Glaubst du, daß der Wirt auch scharf auf sie war?«
    »Das waren sie alle.«
    »Du auch?«
    »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich zu sagen habe. Und wenn Sie’s wollen, kann ich’s Ihnen ja noch

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