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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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möchte ich nicht als Zeugin vernommen werden. Meine Herrschaft liebt das nicht. Und die Anwälte stellen einem so viele Fragen, nur um einen lächerlich zu machen. Ich habe das einmal erlebt und mir geschworen, das nicht noch einmal mitzumachen. In der Beziehung können Sie also nicht auf mich zählen.«
    Sie schloß leise die Tür hinter ihm, und Maigret mußte die ganze Straße hinuntergehen, bis er ein Taxi fand. Statt zum Quai des Orfevres zu fahren, fuhr er nach Hause, um dort zu Mittag zu essen. Erst um halb drei war er wieder in seinem Büro. Es schneite jetzt nicht mehr, und die Straßen waren mit einer dünnen, glitschigen Schmutzschicht bedeckt. Als er die Tür zu dem »Geständniszimmer« öffnete, schlug ihm dichter Zigarettenrauch entgegen, und er sah in einem Aschenbecher mindestens zwanzig Stummel liegen. Torrence hatte die Zigaretten alle allein geraucht, den Philippe war Nichtraucher. Auf dem Tisch standen außerdem eine Platte mit Resten von belegten Broten und fünf leere Bierflaschen.
    »Komm doch mal einen Augenblick.«
    Hörbar aufatmend, folgte Torrence dem Wink, wischte sich den Schweiß ab und seufzte:
    »Der Kerl macht mich ganz fertig. Er ist stumm wie ein Fisch; nicht ein Sterbenswörtchen ist aus ihm herauszukriegen. Zweimal hatte ich gehofft, er würde endlich etwas sagen. Ich bin fest davon überzeugt, daß er etwas weiß. Beide Male sah es so aus, als ob er mit seiner Widerstandskraft am Ende wäre. Er blickte mich flehend an, aber dann besann er sich in letzter Sekunde doch wieder anders und schwor von neuem, er wisse nichts. Mir steht das schon bis zum Hals. Und eben hat er mich derartig gereizt, daß ich ihm eine ‘runtergehauen habe. Wissen Sie, was er da gemacht hat?«
    Maigret antwortete nicht.
    »Er hat sich an die Backe gefaßt und laut gewimmert, als spräche er mit einer anderen ›Tante‹: ›Huch, wie böse Sie sind.‹ Ich darf das nicht noch einmal tun, ich wette, das ist ihm noch ein Genuß.«
    Maigret konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Soll ich noch weitermachen?«
    »Versuch’s noch mal. Wir werden nachher noch etwas anderes probieren. Hat er gegessen?«
    »Er hat ein bißchen an einem Brötchen geknabbert und dabei den kleinen Finger gespreizt. Man merkt, daß ihm das Morphium fehlt. Vielleicht würde ich ihn zum Sprechen bringen, wenn ich ihm verspräche, daß er etwas bekommt. Beim Rauschgiftdezernat haben sie doch sicher was.«
    »Ich werde mit dem Chef sprechen. Aber versprich ihm jetzt noch nichts. Setz ihm erst mal weiter zu.« Torrence blickte sich sehnsüchtig in der ihm vertrauten Umgebung um, holte noch einmal tief Atem und verschwand dann wieder in dem kleinen Loch, um mit seiner aufreibenden Arbeit fortzufahren.
    »Was Neues, Lapointe?«
    Lapointe hatte seit dem Morgen die Telefonstrippe nicht einen Augenblick losgelassen und sich wie Torrence mit belegten Brötchen und einem Glas Bier begnügt.
    »Ein Dutzend Bonvoisins, aber kein Oskar Bonvoisin.«
    »Versuch mal Verbindung mit La Bourboule zu kriegen. Vielleicht hast du da mehr Glück.«
    »Haben Sie einen Tip bekommen?«
    »Vielleicht.«
    »Von der Köchin?«
    »Sie glaubt, ihm neulich in Paris begegnet zu sein, und was noch interessanter ist, auf dem Montmartre.«
    »Warum gerade La Bourboule?«
    »Einmal weil er Auvergnate ist, und dann weil Arlette dort vor fünf Jahren eine wichtige Bekanntschaft gemacht zu haben scheint.«
    Maigret glaubte freilich selber nicht so recht daran. »Von Lognon auch nichts Neues?«
    Er rief im Revier in der Rue La Rochefoucauld an, aber Inspektor Lognon war nur ganz kurz dagewesen.
    »Er hat gesagt, er arbeite für Sie und werde den ganzen Tag abwesend sein.«
    Maigret rauchte und ging fast eine Viertelstunde in Gedanken versunken in seinem Zimmer auf und ab. Dann schien er endlich einen Entschluß gefaßt zu haben und begab sich in das Büro seines Chefs.
    »Was Neues, Maigret? Sie waren ja heute nicht beim Rapport?«
    »Ich hab’s verschlafen«, gestand er unumwunden.
    »Haben Sie schon die Zeitung gelesen, die eben herausgekommen ist?«
    Maigret winkte ab. Ihn schien das nicht zu interessieren.
    »Die sind in Sorge, daß noch andere Frauen erdrosselt werden könnten.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Weshalb?«
    »Weil der Mörder der Gräfin kein Wahnsinniger ist, sondern im Gegenteil ein Mann, der genau weiß, was er tut.«
    »Wissen Sie schon, wer es ist?«
    »Vielleicht, wahrscheinlich sogar.«
    »Denken Sie, daß Sie ihn noch heute fassen

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