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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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ist?«
    »Das ist nicht ausgeschlossen.«
    Von den dreien war Irma die einzige, die dieses Gespräch unheimlich spannend fand. Es schien sie dermaßen zu erregen, fast in ein richtiges Verbrechen verwickelt zu sein, daß sie gar nicht mehr darauf aufpaßte, was sie tat.
    »Was machst du denn da? Du sollst doch die Eidotter verrühren.«
    »Können Sie mir sein Äußeres genau beschreiben?«
    »Ja, so wie er damals aussah. Wie er jetzt aussieht, weiß ich allerdings nicht.«
    Aber dabei funkelten ihre Augen so seltsam, daß Maigret sofort einhakte: »Sind Sie sich sicher? Haben Sie ihn nie wiedergesehen?«
    »Darüber denke ich gerade nach. Ich weiß es selber nicht genau. Vor wenigen Wochen habe ich meinen Bruder besucht, der ein kleines Lokal besitzt, und auf der Straße bin ich einem Mann begegnet, der mir bekannt vorkam. Er hat mich ebenfalls genau gemustert, als ob er mich auch schon einmal gesehen hätte. Aber dann war’s mir plötzlich so, als ginge er schnell weiter, um nicht von mir erkannt zu werden.«
    »Haben Sie vermutet, daß das Oskar war?«
    »Nicht gleich. Erst hinterher kam mir der Gedanke, und jetzt möchte ich schwören, daß er es war.«
    »Wo ist das Lokal Ihres Bruders?«
    »In der Rue Coulaincourt.«
    »War es eine Straße auf dem Montmartre, wo Sie ihn getroffen haben?«
    »Es war genau an der Ecke der Place Clichy.«
    »So, und nun überlegen Sie einmal, wie er aussah.«
    »Ich verpfeife nicht gern jemanden.«
    »Wollen Sie lieber, daß ein Mörder frei herumläuft?«
    »Wenn er die Gräfin ermordet hat, dann ist das kein großes Unglück.«
    »Wenn er sie ermordet hat, hat er mindestens noch eine andere umgebracht und wird sich auch damit bestimmt nicht begnügen.«
    Sie zuckte die Schultern.
    »Ja, dann kann ich ihm auch nicht helfen. Er war nicht groß, sondern eher klein. Und das ärgerte ihn so, daß er wie eine Frau immer hohe Absätze trug, um dadurch größer zu wirken. Ich habe ihn oft deswegen angeblickt, ohne etwas darauf zu erwidern.«
    »Sprach er nicht viel?«
    »Er war ein verschlossener Mensch, der nie sagte, was er tat oder dachte. Er hatte dunkelbraunes, dichtes Haar, das ihm bis in die Stirn wuchs, und dicke schwarze Augenbrauen. Manche Frauen fanden ihn gerade darum unwiderstehlich. Er sah einen immer so an, als wäre er nur von sich selbst überzeugt. Ich glaube, er hielt sich für den einzigen Menschen auf der Welt, und alle andern sind nicht mehr als ein Stück Scheiße. Verzeihen Sie den Ausdruck.«
    »Das macht nichts. Reden Sie nur weiter.«
    Jetzt, da das Eis gebrochen war, gab es kein Halten mehr bei ihr. Trotzdem blieb sie nicht einen Augenblick untätig, ging immerzu in der Küche hin und her, in der es sehr verführerisch roch, jonglierte geschickt mit den Töpfen und allen möglichen Geräten und warf hin und wieder einen Blick auf die elektrische Uhr.
    »Antoinette ist ihm ins Garn gegangen und war ganz verrückt nach ihm. Und Maria ebenso.«
    »Meinen Sie das Zimmermädchen und das Küchenmädchen?«
    »Ja. Und mit anderen, die vor ihnen im Hause waren, war’s genau dasselbe. Die Leute blieben dort immer nicht lange. Man wußte nie, wer etwas zu sagen hatte, der Alte oder die Gräfin. Verstehen Sie, wie ich das meine? Oskar machte ihnen nicht den Hof, wie Sie es eben genannt haben. Sobald er ein neues Mädchen sah, blickte er sie nur an, und da war es schon geschehen. Gleich am ersten Abend ging er dann in ihr Zimmer hinauf, als wäre das bereits verabredet. Es gibt ja noch mehr Männer wie er, die sich für unwiderstehlich halten. Antoinette hat viele Tränen um ihn vergossen.«
    »Warum?«
    »Weil sie ihn wirklich liebte und eine Zeitlang hoffte, daß er sie heiraten würde. Aber wenn er eine einmal gehabt hatte, war sie für ihn erledigt. Schon am nächsten Tag kümmerte er sich nicht mehr um sie. Nie ein freundliches Wort, nie eine Aufmerksamkeit. Bis es dann wieder über ihn kam und er von neuem hinaufging. Trotzdem konnte er jede haben, die er wollte, und nicht nur vom Personal.«
    »Glauben Sie, daß er mit der Gräfin auch etwas gehabt hat?«
    »Schon gleich nach dem Tode des Grafen.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil ich ihn um sechs Uhr morgens aus ihrem Schlafzimmer habe kommen sehen. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich gegangen bin. Wenn die Angestellten im Bett der Herrschaften schlafen, dann hört alles auf.«
    »Spielte er den Herrn?«
    »Er machte, was er wollte. Man merkte deutlich, daß ihm niemand mehr etwas zu sagen

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