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Maigret und die Unbekannte

Maigret und die Unbekannte

Titel: Maigret und die Unbekannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Entwickler legt. Noch vor zwei Tagen hatte sie nicht für sie existiert. Dann war sie eine blaugekleidete Gestalt gewesen, die man auf dem feuchten Gehsteig der Place Vintimille nur im Profil sah, und dann irgendeine nackte Leiche, die auf der Marmorplatte im Gerichtsmedizinischen Institut lag. Jetzt hatte sie einen Namen und wurde zu einem wenn auch noch schemenhaften Bilde.
    Er bezahlte, wischte sich den Mund ab und stieg mit Janvier wieder in den kleinen Wagen. Im Vorzimmer am Quai des Orfevres bemerkte er sofort eine graue Gestalt und erkannte Lognon, dessen Nase röter denn je war.
    »Warten Sie auf mich, Lognon?«
    »Seit einer Stunde.«
    »Sie haben wohl gar nicht geschlafen?«
    »Das hat nichts zu sagen.«
    »Kommen Sie in mein Büro.«
    Die Leute, die Lognon hatten warten sehen, hatten ihn gewiß nicht für einen Polizeibeamten gehalten, sondern für jemanden, der gekommen ist, um ein Geständnis abzulegen, denn er machte ein düsteres, verzweifeltes Gesicht. Diesmal war er wirklich erkältet. Seine Stimme war heiser, und er mußte unaufhörlich sein Taschentuch herausziehen. Aber er klagte nicht über sein Leiden, sondern trug es mit ergebener Miene, der Miene eines Menschen, der sein Leben lang gelitten hat und bis ans Ende seiner Tage leiden wird.
    Maigret setzte sich und stopfte sich eine Pfeife, während Lognon, der nur auf dem Rand seines Stuhls saß, ergeben darauf wartete, daß er das Wort an ihn richtete.
    »Haben Sie etwas herausbekommen?«
    »Ich bin gekommen, um Ihnen darüber zu berichten.«
    »Nun, dann legen Sie los, mein Lieber.«
    Aber der freundliche Ton, in dem Maigret das sagte, verfing nicht bei Inspektor Pechvogel, der darin Gott weiß welche Ironie zu wittern schien.
    »Ich habe heute nacht die gleiche Runde noch einmal gemacht. Bis etwa drei Uhr morgens, bis vier Minuten nach drei, genau gesagt, hat sie zu nichts geführt.«
    Während er sprach, zog er ein Stück Papier aus seiner Tasche.
    »Ja, also um drei Uhr vier habe ich gegenüber einem Nachtlokal, das Le Grelot heißt, einen Taxichauffeur verhört, einen Mann namens Leon Zirkt, dreiundfünfzig Jahre alt, wohnhaft in Levallois-Perret.«
    Diese Einzelheiten waren wahrscheinlich unnütz, aber der Inspektor wollte damit ausdrücklich unterstreichen, daß er nur ein kleiner Beamter sei, dem kein Urteil darüber zustehe, ob etwas wichtig sei oder nicht.
    Er sprach mit einer monotonen Stimme, ohne den Kommissar dabei anzusehen, der sich eines Lächelns nicht erwehren konnte.
    »Ich habe ihm das Foto gezeigt, genau gesagt die Fotos, und er hat sie auf dem erkannt, wo sie das Abendkleid anhat.«
    Er machte eine Pause wie ein Schauspieler; auch das konnte er nicht unterlassen. Er wußte noch nicht, daß Maigret inzwischen die Identität der Toten ebenso wie ihren letzten Wohnsitz festgestellt hatte.
    »In der Nacht von Montag zu Dienstag wartete Leon Zirkt mit seinem Taxi kurz vor Mitternacht vor dem Romeo, einem neuen Nachtlokal in der Rue Caumartin.«
    Er hatte alles vorher vorbereitet und zog wieder ein Papier aus seiner Tasche. Diesmal war es ein Zeitungsausschnitt.
    »In jener Nacht war das Romeo ausnahmsweise nicht für das Publikum geöffnet. Die Räume waren nämlich zu einer Hochzeitsfeier vermietet.«
    Genauso wie die Anwälte vor Gericht dem Vorsitzenden ein Dokument vorlegen, legte er Maigret den Zeitungsausschnitt vor und setzte sich dann wieder.
    »Wie Sie sehen, handelt es sich um die Hochzeit eines gewissen Marco Santoni, der in Frankreich eine bekannte italienische Wermutfirma vertritt, mit einer Mademoiselle Janine Armenieu aus Paris, ohne Beruf. Es waren viele Gäste zu der Feier eingeladen, denn Marco Santoni scheint in den Kreisen der Lebewelt sehr bekannt zu sein.«
    »Wissen Sie diese Einzelheiten von Zirkt?«
    »Nein. Ich habe mich ins Romeo begeben. Der Chauffeur wartete also mit zahlreichen seiner Kollegen vor dem Lokal. Es regnete. Um Viertel nach zwölf kam ein junges Mädchen in blauem Abendkleid und dunklem Samtcape aus dem Lokal und machte sich zu Fuß auf den Weg. Wie das üblich ist, hat ihr Zirkt zugerufen: ›Taxi?‹ Aber sie hat nur den Kopf geschüttelt und ist weitergegangen.«
    »Ist er sicher, daß sie es war?«
    »Ja. Ein Neonschild erleuchtet den Eingang des Romeo.
    Als Mann, der durch seinen Beruf einen Blick dafür hat, hat Zirkt gleich gesehen, daß das Kleid ziemlich dürftig war, übrigens hat der Portier vom Romeo, ein gewisser Gaston Roger, sie auf dem Foto ebenfalls

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