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Maigret und die Unbekannte

Maigret und die Unbekannte

Titel: Maigret und die Unbekannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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verloren.
    »Hier, bitte. Sie werden sehen, solch ein Zimmer wie dieses hätte sie nirgendwo anders gefunden.«
    Es war tatsächlich ein sehr geräumiges Zimmer mit großen Fenstern. Wie der Salon war es mit antiken Möbeln eingerichtet. Das Bett war aus Mahagoni, und zwischen den Fenstern stand ein Empire-Schreibtisch, der gewiß der von Madame Cremieux gewesen war. Schwere Samtvorhänge umrahmten die Fenster, und an den Wänden hingen alte Familienfotos in schwarzen oder goldenen Rahmen.
    »Der einzige Nachteil ist, daß man das Badezimmer teilen muß. Ich ließ ihr morgens immer den Vortritt und ging selber nie hinein, ohne vorher anzuklopfen.«
    »Ist alles noch so, wie sie es verlassen hat?«
    »Natürlich. Ich habe nichts fortgenommen.«
    »Haben Sie nicht, als Sie merkten, daß sie nicht wiederkam, in ihren persönlichen Sachen gestöbert?«
    »Da war nicht viel zu stöbern. Ich habe nur nachgesehen, ob sie sie mitgenommen hatte.«
    »Hat sie sie nicht mitgenommen?«
    »Nein. Sie können sich selber davon überzeugen.«
    Auf der Kommode sah man einen Kamm, eine Haarbürste, ein billiges Maniküreetui und eine Puderdose. Außerdem lagen dort noch eine Glasröhre mit Aspirintabletten und eine andere mit Schlaftabletten.
    Maigret zog die Schubfächer auf, fand darin aber nur etwas Wäsche und ein in ein kunstseidenes Unterkleid eingewickeltes elektrisches Bügeleisen.
    »Was habe ich Ihnen gesagt!« rief Madame Cremieux.
    »Was denn?«
    »Ich hatte sie ebenfalls ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß sie hier nicht waschen und bügeln dürfe. Na, nun weiß ich ja, was sie abends immer gemacht hat, wenn sie sich länger als eine Stunde im Badezimmer einschloß. Aus dem gleichen Grunde hat sie stets ihre Tür abgeschlossen.«
    In einem anderen Schubfach befanden sich ein Kasten mit gewöhnlichem Briefpapier, zwei oder drei Bleistifte und ein Füllfederhalter.
    Im Schrank hing ein Morgenrock aus Baumwolle, und in einer Ecke stand ein Koffer aus blauem Segeltuch. Er war abgeschlossen, aber der Schlüssel war nirgends zu finden. Maigret öffnete das Schloß mit der Spitze seines Taschenmessers, während die alte Dame neugierig hinzutrat. Doch der Koffer war leer.
    »Hat nie jemand nach ihr gefragt?«
    »Nie.«
    »Hatten Sie auch nicht den Eindruck, daß jemand in Ihrer Abwesenheit in die Wohnung eingedrungen ist?«
    »Das hätte ich gemerkt. Ich weiß ganz genau, wo alles steht und liegt.«
    »Wurde sie telefonisch angerufen?«
    »Ein einziges Mal.«
    »Wann war das?«
    »Vor etwa zwei Wochen. Nein, schon eher, vielleicht vor einem Monat. Es war abends gegen acht Uhr, und sie war gerade in ihrem Zimmer.«
    »War ein Mann am Apparat?«
    »Nein, eine Frau.«
    »Können Sie sich noch genau an ihre Worte erinnern?«
    »Ja, sie hat gefragt: ›Ist Mademoiselle Laboine zu Hause?‹ Ich habe geantwortet, ich glaubte, ja, und habe dann bei ihr angeklopft.
    ›Telefon, Mademoiselle Luise.‹
    ›Für mich?‹ hat sie verwundert gefragt.
    ›Ja, für Sie.‹
    ›Ich komme.‹
    An dem Abend sah es mir so aus, als ob sie geweint hätte.«
    »Vor oder nach dem Anruf?«
    »Vorher, als sie aus ihrem Zimmer herauskam.«
    »War sie ganz angezogen?«
    »Nein. Sie war auf bloßen Füßen und hatte ihren Morgenrock übergestreift.«
    »Haben Sie gehört, was sie gesagt hat?«
    »Sie hat fast nichts gesagt… Nur: ›Ja… ja… ja… Gut… Wer? Vielleicht…‹ und zum Schluß: ›Bis gleich‹.«
    »Ist sie fortgegangen?«
    »Zehn Minuten später.«
    »Wann ist sie an dem Abend zurückgekommen?«
    »Sie ist erst am nächsten Morgen um sechs zurückgekommen. Ich wartete auf sie, weil ich sie gleich hinauswerfen wollte. Sie hat mir gesagt, sie hätte die Nacht bei einer kranken Verwandten verbringen müssen, und sie sah auch nicht so aus, als ob sie zu ihrem Amüsement fort gewesen wäre. Sie hat sich dann zu Bett gelegt und zwei Tage lang nicht ihr Zimmer verlassen. Ich habe ihr Essen gebracht und ihr das Aspirin besorgt. Sie behauptete, sie habe Grippe.«
    Merkte sie, daß Maigret, obwohl er kaum zuzuhören schien, sich aus dem allem ein Bild machte? Er konnte sich das Leben der beiden Frauen in der düsteren, mit Möbeln vollgestopften Wohnung immer deutlicher vorstellen.
    Er kannte jetzt den Namen des Mädchens, vorausgesetzt, daß es ihr richtiger Name war. Er wußte, wo sie in den beiden letzten Monaten geschlafen und wo sie einen Teil ihrer Abende verbracht hatte.
    Er wußte ebenfalls, daß sie zweimal in die Rue de Douai

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