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Maigret verteidigt sich

Maigret verteidigt sich

Titel: Maigret verteidigt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Berichterstatter im Staatsrat.«
    Manuels Verblüffung war nicht gespielt, aber er war ein noch besserer Komödiant als Nicole.
    »Ist das Ihr Ernst? Aber, lieber Gott, ich weiß nicht einmal, was der Staatsrat ist. Bilden Sie sich ein, ich kenne all diese hohen Tiere?«
    »Kennen Sie auch Desiré nicht, dem ein Bistro in der Rue de Seine gehört?«
    »Das erstemal, daß ich seinen Namen höre.«
    »Und auch nicht die beiden Räuber, die heute morgen in der Avenue Victor Hugo gearbeitet haben?«
    Manuel richtete sich in seinem Rollstuhl auf.
    »Holla! Vorsicht! Wenn Sie mir all den Quatsch erzählt haben, um mich da hineinzuziehen, dann spiele ich nicht mehr mit. Gelegentlich habe ich Ihnen freundlicherweise einen Tip gegeben. Wenn man eine Bar hat, muß man sich mit der Polizei gut stellen.
    Ich höre Radio wie jedermann. Ich weiß, was heute morgen passiert ist. Aber was sollte ich mit der Geschichte zu tun haben? Seit drei Jahren rühre ich mich nicht mehr von hier fort, und fast niemand kommt zu mir. Ich würde unter diesen Umständen gern wissen, wie ich den Bandenchef spielen sollte.
    Das letztemal war es auch ein Juweliergeschäft am Boulevard Saint-Martin, worüber Sie mit mir sprechen wollten. Und das Mal davor…«
    »Wo ist Aline?«
    »Sie macht Besorgungen.«
    »Im Viertel?«
    »Weiß ich nicht. Wenn Sie es durchaus wissen wollen, will ich Ihnen sagen, daß sie weggegangen ist, um sich einen Schlüpfer und einen Büstenhalter zu kaufen. Ihr Inspektor wird es Ihnen heute abend bestätigen können.«
    »War sie heute vormittag auch aus?«
    »Heute vormittag war sie beim Zahnarzt gegenüber. Wenn dessen Fenster offen gewesen wäre, hätte ich sie im Behandlungsstuhl sehen können.«
    Gegenüber war kein Mietshaus, sondern eine einstöckige Villa mit einem Mansardengeschoß. Das Haus war dunkelgrau geworden. Das Schieferdach hatte in der Sonne die gleichen bläulichen und rosa Reflexe wie die Seine zu bestimmten Stunden.
    »Hat sie schon lange Zahnschmerzen?«
    »Seit drei Tagen.«
    Wenn Aline schon in den Tagen vorher beim Zahnarzt gewesen war, hätte es Maigret aus dem Bericht der Inspektoren gewußt, die sie seit drei Wochen beschatteten.
    »Wie heißt er?«
    »Wer?«
    »Der Zahnarzt.«
    »Man kann sein Schild von hier aus sehen, aber ich kann es aus der Entfernung nicht lesen. Sie hat mir gesagt, gegenüber wohne ein Zahnarzt, und ich habe mich nicht für seinen Namen interessiert. Ich weiß nur, seine Assistentin oder seine Schwester, wie Sie wollen, ist ein hageres Weibsstück, das ich um nichts in der Welt in meinem Bett haben möchte. Ach, da kommt Aline zurück…«
    Er hatte ein feines Ohr, denn trotz des Salons und der Diele, die sie von der Eingangstür trennten, hatte er gehört, wie sich der Schlüssel im Schloß drehte.

 
    Viertes Kapitel
     
     
     
    Die Tür des Salons stand offen. Man sah Aline auf ihren hohen Absätzen ihn mit schnellen Schritten durchqueren. Sie trug ein orangefarbenes Leinenkostüm, und ihr Haar war ordentlich frisiert. In der einen Hand hielt sie eine Handtasche, die so schwarz wie ihr Haar war, in der anderen zwei Tüten, die eine mit dem Aufdruck eines Wäschegeschäfts, die andere mit dem eines Geschäfts in der Rue Marbeuf.
    Sie hatte Maigret von fern bemerkt, hatte aber nicht mit der Wimper gezuckt, keine Miene gemacht, ihn zu erkennen, und als sie in das Zimmer kam, in dem die beiden Männer waren, ging sie an ihm vorüber, als sei er gar nicht vorhanden. Sie beugte sich über Manuel, um ihn auf die Stirn zu küssen.
    »Nun, Papa, ist er schon wieder hier?«
    Sie war zweiundzwanzig Jahre alt. Palmari war nicht weit von den Sechzig entfernt. Dennoch klang das ›Papa‹ nicht wie das einer Tochter. In Alines Mund war es ein Kosename, und das Lächeln des ehemaligen Besitzers des ›Clou Doré‹ schien zu sagen:
    »Sehen Sie, was für eine Frau sie ist!«
    Sie war schon mit sechzehn Jahren auf dem Boulevard Sebastopol auf den Strich gegangen, aber wer ihr jetzt auf der Straße begegnete, mußte sie für eine elegante Bürgerin halten. Die junge Frau eines Arztes, Ingenieurs oder Anwalts.
    »Fehlt nur noch, daß er seinen Pyjama und seine Pantoffeln mitbringt, nicht zu vergessen die Zahnbürste und seinen Rasierapparat.«
    Sie sprach, ohne den Kommissar anzublicken, mit einer hohen, schrillen Stimme und einem ziemlich gewöhnlichen Akzent. Sie übertrieb ihn noch absichtlich, so wie Manuel den Komiker spielte. Sie waren wie zwei Schauspieler, die einen

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