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Maigret verteidigt sich

Maigret verteidigt sich

Titel: Maigret verteidigt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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ist mir lieber, du gehst nach Montmartre, ehe dort Hochbetrieb ist. Sag Lucas, er soll unten mit einem Wagen auf mich warten…«
    Es war schon ein heißer Dunst in der Luft, wie man ihn über dem Meer sieht, und die Champs-Elysées vibrierten in einem goldenen Licht.
    »Ich danke dir, daß du mich mit deinem Verwandten bekannt gemacht hast, mein alter Lucas.«
    »Gern geschehen, Chef. Es hat mir freilich einen Brummschädel eingebracht. Er war so stolz, Sie kennengelernt und mit Ihnen getrunken zu haben, daß er einen Anis nach dem anderen spendiert hat. Er wird in Zukunft von seinem Freund Maigret sprechen, als wäre er mit Ihnen zur Schule gegangen. Wo soll ich Sie hinfahren? Zu Manuel?«
    Das war schon eine Gewohnheit geworden.
    »Ja. Ich gehe in das Haus gegenüber.«
    »Soll ich auf Sie warten?«
    »Ja. Es ist möglich, daß es sehr schnell geht.«
    Er klingelte an der Tür. Eine Frau mit langem Gesicht, die wie eine Spanierin aussah, musterte ihn wenig freundlich und fragte:
    »Was wünschen Sie?«
    »Ich will zu dem Zahnarzt.«
    »Sind Sie angemeldet?«
    »Ja.«
    »Dann gehen Sie hinauf! Die Tür rechts…«
    Sie blickte ihm nach, während er die alte Eichentreppe hinaufstieg, die zum Teil mit einem grünlichen und fleckigen Läufer belegt war. Die Schürze des Mädchens war auch nicht gerade sauber. Madame Maigret hätte bestimmt gesagt: das ist kein gepflegtes Haus.

 
    Sechstes Kapitel
     
     
     
    Er ging absichtlich langsam, um das Vergnügen auszukosten, das Mädchen unten im Flur nervös zu machen. Und während er hinaufstieg, versuchte er sich über den Geruch klarzuwerden, der in dem Hause herrschte – ein Geruch, den er kannte und der nicht unangenehm war, den er schon aus seiner Kindheit in Erinnerung hatte. Es roch nach alten Häusern und feuchter Erde.
    Die kleine Villa hatte gewiß hinten einen Garten, wie man sie immer noch in Paris findet, mit einem Baum. Maigret hätte wetten mögen, daß es eine Linde war.
    Er war sich noch nie so als Eindringling vorgekommen wie hier. Er hatte kein Recht hier zu sein, und wenn der Zahnarzt sich beschwerte, ging es ihm an den Kragen. Er würde sich rechtfertigen müssen.
    Es war, als ob er gewollt noch mehr Fehler machen wollte, wie der Polizeipräfekt ihm vorwarf. Kaum hatte man getadelt, daß er eine Vorliebe für Spitzel hatte, da war er zu Manuel geeilt.
    Man untersagte ihm, von Nicole zu sprechen, und er ging in ein Bistro und fragte einen Angestellten der Sorbonne nach ihr aus. Die kleinste Anspielung auf diese Affäre bei der Kriminalpolizei war verboten, aber er berichtete Janvier und dann Lucas davon und ließ das Mädchen von dem armen Barnacle heimlich fotografieren.
    Schließlich ließ er sich unter einem so durchsichtigen Vorwand, daß Marcel Landry es sofort merken mußte, das Register eines privaten Klubs zeigen, dem die Nichte Jean-Baptiste Prieurs angehörte.
    Und das alles an einem Tag! Nachdem er sich so weit vorgewagt hatte, sah er keinen Grund, nicht weiterzumachen.
    Entweder glückte es ihm, oder er scheiterte und seine Laufbahn nahm ein klägliches Ende.
    Hatte er überhaupt etwas entdeckt? Ja. Er war sich zwar über den Wert der Entdeckung noch nicht im klaren, aber er hatte ein Band zwischen zwei Frauen entdeckt, die so verschieden waren und in einander so entgegengesetzten Milieus lebten wie Nicole Prieur und Aline, die Geliebte Manuels. Nicole hatte Dr. Mélan als Bürgen im Klub der Hundert Schlüssel. Am Tage zuvor war Aline mindestens einmal zu dem gleichen Arzt gegangen, um ihre Zähne behandeln zu lassen.
    All das ging ihm binnen weniger Sekunden durch den Kopf, und als er im ersten Stock ankam, wandte er sich nicht der Tür rechts zu, wie es ihm die Spanierin gesagt hatte, sondern der links. Er sah gern, wie die Leute wohnten, mit denen er sich befaßte, zumal die Zimmer, in die man ihn nicht hineinbat.
    Die Tür war abgeschlossen oder verriegelt, und unten sagte eine Stimme:
    »Wissen Sie nicht, wo rechts ist?«
    Das Mädchen war ein paar Stufen die Treppe hinaufgegangen. Ihre großen schwarzen Augen waren kaum ausdrucksvoller als die einer Kuh auf der Weide, aber sie war dennoch ein prächtiges Weibsbild.
    Auf einem Emailschild stand: »Klingeln und eintreten.«
    Er klingelte, drehte den Türknauf und kam in ein Wartezimmer, das einem Provinzsalon ähnelte. Nur eine einzige Patientin saß dort, eine noch ziemlich junge Frau, die starke Schmerzen und große Angst zu haben schien.
    Die Zeitschriften waren auf einem

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