Mailverkehr für Fortgeschrittene
Othello.
Betrifft: Talk to me
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 25. 11. 2012 17:43
Hallo Hannah!
Schreibblockade? Unangenehm. Aber kommt vor, selbst bei den Besten.
Wovor hast Du Angst? Vor den Lesern? Keine Sorge. Wenn Dein Roman auch nur halb so lebendig und gut geschrieben ist wie Deine Mails, dann werden sie Dich lieben.
Stell Dir doch einfach vor, Du schreibst für mich …
Aber vor allem: Schreib!
Wie es bei mir angefangen hat? Ganz ähnlich wie bei Deinem Falken. Nur dass ich nicht von einer japanischen Freundin eingeführt wurde, sondern von einer älteren Frau. Du willst es wirklich wissen? Also gut: Ich werde den heiligen Sonntag mit meiner bösen Geschichte besudeln …
Sie hieß Irene und war die beste Freundin meiner Mutter. Bis dahin hatte ich nur mit Mädchen in meinem Alter rumgefummelt. Unreife Gören, die selbst nicht wussten, wo es langging. Irene war anders. Schlank, groß, dunkelhaarig und eine Haut so blass und kühl wie Seide.
Es war ein Sonntag im Juli. Der Geburtstag meiner Mutter. Sie hatte eine Gartenparty organisiert, komplett mit gestreiften Markisen, tadellos manikürtem Rasen, kalten Häppchen und Prosecco. Sie waren alle da: der Yoga-Lehrer, der Tennis-Lehrer und Mutters gebotoxte Freundinnen mit den Lippen, die an geplatzte Autoreifen erinnern. Ich habe nie kapiert, was Irene da verloren hatte, oder was die beiden verbunden hat. In ihrer ruhigen, kühlen Eleganz wirkte sie neben meiner rotgesichtigen, schwitzenden Mutter wie ein siegreicher Billardspieler neben einem Boxer, kurz bevor der das Handtuch schmeißt.
Ich sah Irene gerne an. Ihre Gegenwart ließ merkwürdige Fantasien in meinem pubertierenden Gehirn ablaufen. Hatte gedacht, sie würde es nicht bemerken. Irrtum.
Mein Bruder schwitzte in einem schicken Anzug vor sich hin, während Mutter ihn von einem plaudernden Grüppchen zum nächsten zerrte, um mit ihm anzugeben. Ich hatte mich am Ende des Gartens hinter den Hecken im Schuppen versteckt. Hier hob der Gärtner seine Utensilien auf. Zwischen Rasenmähern, Heckenscheren und Spaten saß ich gemütlich auf einer ausrangierten Gartenbank, rauchte und nippte hin und wieder an der Flasche Champagner, die ich vom Buffet hatte mitgehen lassen.
Plötzlich öffnete sich die Tür leise knarrend, und ehe ich reagieren und mich verstecken konnte, schlüpfte Irene herein. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid und ganz offensichtlich keinen BH. Hatte sie auch nicht nötig.
Irene zog die Tür hinter sich zu und musterte mich nachdenklich. Sie sagte nichts. Ich auch nicht. Aber ich hielt ihr meine Zigarettenschachtel hin.
Sie schüttelte den Kopf.
Zusammen mit ihr war ein Duft in den Schuppen gekommen, der sich langsam mit meinem Tabakrauch vermischte. Exotisch, süß und wild. Draußen knallte die Sonne auf das Dach, drinnen stieg mir der Champagner zu Kopf und Irenes stumme Anwesenheit. Ich starrte auf ihre Brustwarzen, die sich deutlich unter dem dünnen Stoff ihres Kleides abzeichneten. Ich konnte nicht anders.
Irene betrachtete die Beule in meinen alten Jeans und lächelte. Dann ließ sie ihren Blick durch den Schuppen streifen, über Wasserschläuche, Edelstahlschellen und Laubharken. Ich hätte gerne etwas gesagt. Irgendetwas Kluges, Witziges, um sie zu beeindrucken. Doch ich konnte nicht. Jemand anderes hatte für mich das Denken übernommen. Und er dachte nur an das eine.
Irene störte sich nicht an meiner Schweigsamkeit. Sie hatte etwas entdeckt, das ihre Aufmerksamkeit erregte: ein Hanfseil. Was nun folgte, war wie ein Traum.
Irene nahm das Seil und setzte sich auf meinen Schoß. Sie trug keinen Slip. Ich konnte sie spüren, heiß und offen, und konnte mein Glück kaum fassen. Griff nach ihrer Taille, wollte sie fester an mich ziehen – und bekam einen Klaps auf den Handrücken. Irene beugte sich zu mir herunter, legte ihre kühle Wange an mein erhitztes Gesicht und flüsterte: »Ganz ruhig. Mein Spiel, meine Regeln. Vertrau mir. Du wirst es nicht bereuen.«
Ich nickte, auch wenn ich nicht ganz verstand. Aber in diesem Moment hätte ich auch genickt, wenn sie von mir verlangt hätte, sofort nach draußen zu gehen und nackt auf dem Rasen herumzuhüpfen.
Irene band mir die Hände an der Lehne der Gartenbank fest. Sie war schnell und geschickt. Ehe ich recht begriff, was geschah, konnte ich mich nicht mehr rühren. Irene stand auf und begutachtete ihr Werk.
Was für ein Spiel war das? Einen grässlichen Moment lang glaubte ich, sie hätte sich nur einen Scherz
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