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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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ihre Schnellfeuergewehre auf ihn, packten ihn, banden ihm die Hände auf den Rücken und stießen ihn in das Becken des Springbrunnens, wo er der Länge nach neben Giselle ins Wasser fiel. Sie beugte sich sofort über ihn, dachte auch in der Stunde höchster Qual nur an ihn, versuchte, ihm trotz ihrer gefesselten Hände zu helfen, als er sich mühsam aufrichtete, um neben ihr zu knien. Dolcapone hatte seine Peitsche inzwischen ins Wasser getaucht. Nass klatschte sie auf die Rücken der beiden, bis sie sich rot färbten. Ganz still knieten sie im Becken des Springbrunnens, als ob sie wussten, dass ich sie sehen würde. Nur einmal richtete sich Jacques hoch auf, sah in Richtung der Bediensteten und rief ganz laut: »Es lebe die Freiheit!«
    Dolcapone raste vor Wut. Er peitschte wie ein Verrückter auf den Rücken von Jacques, bis sich das Wasser im Springbrunnen rot färbte. In diesem Augenblick hatte sich mein Vater mit letzter Kraft in seinem Rollstuhl aufgerichtet, verlor das Gleichgewicht und kippte mit dem Rollstuhl um.
    »Schluss jetzt!«, hallte es von der Terrasse.
    Mein Vater wälzte sich vor seinem Rollstuhl im Staub, aber er schrie so laut er schreien konnte: »Schluss jetzt!«
    Das brachte sogar Dolcapone aus der Fassung. Er hielt mit den Peitschenhieben inne, wandte sich überrascht um und brüllte in Richtung Schlossterrasse: »Bringt ihn hinein!«
    Aber mein Vater wollte nicht. Er wehrte sich gegen die Wachen, die ihn in den Rollstuhl hoben, schlug mit den Armen um sich, riss an ihren Gewehren, aber natürlich ohne Erfolg, so schwach, wie er war. Und doch – war er nicht der Sieger in diesem Kampf gewesen? Hatte er nicht den Bediensteten seine stolze Haltung gezeigt und sie ermuntert, es ihm gleichzutun? Konnte nicht manchmal der Schwächste Sieger sein, wenn er ein Zeichen setzte? Ich war stolz auf meinen Vater und um ein Haar wäre ich aus dem Keller geklettert, um ihm zu helfen. Zum Glück konnte ich mich beherrschen. Ich biss mir auf die Zunge, sah mir das Schauspiel bis zum bitteren Ende an und schwor mir, diesem Spuk in dieser Nacht ein Ende zu bereiten.
     
    Nachdem Dolcapone eine Belohnung von 10.000 Euro auf den Fremden, wie er mich nannte, ausgesetzt hatte, schlug Alain wieder seine Trommel und die Versammlung der Bediensteten löste sich auf. Wenig später öffnete sich die Haustür und ich konnte Jacques und Giselle im Flur des Hauses sprechen hören.
    »Dieses Schwein«, schimpfte Jacques und ich wusste, dass ich mich hundertprozentig auf ihn verlassen konnte. Leise schlich ich über die Kellertreppe nach oben und fiel ihm in die Arme.
    »Ich danke euch«, sagte ich. »Ich habe alles aus dem Keller beobachtet.«
    Als ich meine Arme von Jacques Rücken nahm, hatte ich sein Blut an meinen Händen. Es war das Blut der Freiheit und der Liebe.
    »Sie waren die ganze Zeit in unserem Keller, Herr Graf?«, staunte Giselle.
    Ich erzählte den beiden, wie ich die Wachen von Dolcapone überlistet hatte, und wir freuten uns, dass alles gut gegangen war.
    »Um Mitternacht werden wir sie verjagen«, sagte ich. »Das war heute Dolcapones letzter schrecklicher Auftritt.«
    Die Augen von Jacques leuchteten. »Wir werden mit Ihnen kämpfen, Herr Graf«, sagte er entschlossen und man merkte diesem stattlichen Kerl die körperlichen Qualen der letzten Stunde nicht an.
     
    Kurz nach halb zwölf schlich ich mit Jacques aus dem Haus. Wir hatten kein Licht und gingen barfuß. Nur der Mond stand über der Anhöhe und beleuchtete unsere Schritte. In einem der Nachbarhäuser ging ganz leise eine Tür. Wir hielten kurz inne, sagten jedoch nichts. Das wird Alain sein, der Schmied, dachte ich. Jacques ging voraus, vorbei an den Häusern der Bediensteten, dann geduckt über den Schlosshof bis zum Verlies unter dem Treppenaufgang. Alles blieb ruhig. Die Wachen schliefen oder taten jedenfalls so.
    Jacques führte mich an der Schlossmauer entlang zu einer Tür. Obwohl ich sonst alles kannte, war ich durch diese Tür noch nie gegangen. Hier war das Reich von Jacques, Werkzeuge und Geräte lagerten in mehreren Kellerräumen und wir mussten höllisch aufpassen, nichts umzustoßen. Jacques ging tastend voran, ich folgte ihm auf den Fersen. Unterwegs drückte er mir ein Beil in die Hand und nahm sich selbst ein langes, rostiges Messer. Das war alles, was wir hatten.
    Wir sprachen nicht miteinander, aber wir verstanden uns wortlos. Vorsichtig öffnete Jacques eine Tür am Ende des dunklen, muffigen Kellerganges und ich sah die

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