Mainfall
erreichten, kam Oskar, den ich dort in seinem Körbchen gelassen hatte, wie ein Verrückter auf uns zu. Er begrüßte mich kurz und sprang an Melanie hoch. Er schleckte ihr die Beine ab und gab erst Ruhe, als sie ihn auf den Arm nahm und er ihr ein Küsschen auf die Wange geben konnte.
»Der Hund des Königs liebt die Prinzessin«, begeisterten sich die Kinder und standen verzückt hinter der goldenen Absperrkordel am Eingang zum Turmzimmer. Ich setzte mich in meinem Mantel und mit Krone an den Schreibsekretär und tat so, als ob ich arbeitete. Melanie saß in einem Sessel neben mir und schaute zu. Von Arbeit konnte allerdings keine Rede sein. Gedanken wirbelten in meinem Kopf herum. Ich konnte es noch gar nicht fassen, dass Melanie bei mir war. Ich kritzelte etwas aufs Papier, damit die Kinder glaubten, ich überlege Geschichten, aber in Wirklichkeit schielte ich nach Melanie. Sie sah etwas blass aus, aber sonst so hübsch wie immer. Nur die steife Kopfhaltung im Fixateur war ungewohnt.
»Die Kinder werden bald genug haben«, flüsterte ich ihr zu. »Dann sind wir für uns.«
»Ich habe Zeit«, sagte sie nur und sah hinunter auf den Main.
Nachdem sich alle Kinder an mir als König und an meiner Prinzessin sattgesehen hatten, waren wir endlich allein im Turmzimmer. Es war 13.00 Uhr nachmittags und der Main hatte viel zu tun mit den sonntäglichen Ausflugsbooten, die auf ihm in der Sonne tanzten.
»Ich bin ja so froh, dass ich dich gefunden habe«, seufzte Melanie. »Warum hast du mir eigentlich nie geantwortet?«
»Geantwortet?«, fragte ich verwundert. »Wie hätte ich dir antworten sollen? Ich wusste ja nicht einmal, ob du noch lebst.«
Melanie sah mich erstaunt an.
»Hast du denn meine Briefe nicht erhalten, Bertram?«, fragte sie. »Keinen einzigen?«
»Nein, keinen einzigen«, sagte ich.
Sie nannte mich immer noch Bertram und ich ließ es dabei. Wer ich wirklich war, würde sie noch früh genug erfahren, dachte ich. Ich fragte sie, wohin sie denn geschrieben habe.
»An deine Adresse bei Brenners«, sagte Melanie. »Wohin hätte ich denn sonst schreiben sollen?«
»Warum hast du mich nicht einfach auf dem Handy angerufen?«
»Es war schrecklich. Ich konnte bis vor wenigen Tagen nicht richtig sprechen, Bertram.«
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Isabell musste die Briefe abgefangen haben. Sie wollte mich erobern, wollte mit mir und den Kindern in Urlaub fahren und da war ihr scheinbar jedes Mittel recht gewesen. Deshalb war sie heute während der Audienz auch so plötzlich verschwunden, da sie sich denken konnte, dass ihr Betrug auffliegen würde. Arme Isabell! Ich konnte ihr nicht böse sein, sie tat mir nur leid.
»Hauptsache, wir sind wieder zusammen«, sagte ich zu Melanie. »Die Briefe müssen irgendwie verschollen sein. Vielleicht hat sie Isabell, äh, ich meine Frau Brenner, beiseitegeschafft.«
Als ich mit Melanie und Oskar das Schloss verließ, stand davor ein Polizeiauto. Auf der Rückbank saß Isabell. Sie hatte ihren Kopf in die Hände gestützt und schien zu weinen.
»Was ist denn mit Frau Brenner los?«, fragte ich Kommissar Rotfux, der auf mich zukam.
»Das ist eine längere Geschichte«, sagte Rotfux. »Wenn Sie alles erfahren möchten, kommen Sie am besten mit, Herr Graf.«
Er behandelte mich betont höflich und alle Spannungen, die wir in den letzten Monaten gehabt hatten, schienen verflogen zu sein.
»Hat es etwas mit mir zu tun?«
»Allerdings«, sagte Rotfux und lächelte. Sein Bärtchen vibrierte auf der Oberlippe und seine dunklen Augen glänzten, als ob er gerade einen Sechser im Lotto gewonnen hätte. Noch nie hatte ich Rotfux so stolz und entspannt gesehen.
»Kann Melanie mitkommen?«, fragte ich. Ich wollte sie jetzt nicht alleine lassen, nachdem ich sie gerade erst wiedergefunden hatte.
»Wenn es Sie nicht stört, dass sie alles erfährt«, sagte der Kommissar.
Warum hätte mich das stören sollen? Natürlich sollte sie alles erfahren. Also stiegen wir in das Auto des Kommissars und fuhren hinter dem Polizeiwagen her, in dem Isabell saß. Unterwegs erzählte ich Melanie meine Geschichte. Ich schwärmte von meiner Insel, ich berichtete über deren Befreiung, sie erfuhr, dass ich ein echter Graf war, und ich sagte, dass jetzt sicher alles gut werden würde.
»Und du bist nicht verheiratet?«, fragte sie mich am Ende meines Berichtes ganz aufgeregt. Es schien das Einzige zu sein, was sie wirklich interessierte. Nachdem ich das verneint hatte, strahlte
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