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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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wichtig.«
    »Nicht so wichtig, nicht so wichtig«, brummte Rotfux in seinen Bart. »Das müssen Sie schon uns überlassen. Die Schlüsse ziehe immer noch ich.« Der Kommissar war wohl etwas in seiner Ehre gekränkt, wandte sich unfreundlich ab und sah zum Fenster hinaus.
    Als ich merkte, wie sehr er verärgert war, gab ich mir einen Ruck und verriet ihm die Wahrheit. »Ich habe mehrere Nächte im Schloss verbracht und eine Nacht in der Stiftskirche«, sagte ich. »Das wollte ich Ihnen doch noch verraten, damit Sie nicht denken, ich hätte Geheimnisse vor Ihnen.«
    Rotfux sah mich enttäuscht an. »Das ist alles?« Wahrscheinlich hatte er entscheidende Hinweise erwartet. Er schien noch immer nicht zu glauben, dass ich mich wirklich an nichts erinnern konnte.
    »Ja, das ist alles, Herr Kommissar.«
    »Wo werden Sie denn nun die nächsten Nächte verbringen? Wo kann ich Sie erreichen?«, wollte er wissen.
    Zum Glück fiel mir das Kärtchen von Ulrich Brenner ein. »Hier«, sagte ich und reichte es dem Kommissar, »bei Ulrich Brenner werde ich wohnen. Anschrift und Telefonnummer finden Sie auf der Visitenkarte.«
    Rotfux las aufmerksam. »Bessenbacher Weg«, murmelte er, »schöne Wohngegend. Sie haben wohl schon gute Bekannte hier …«
    »Herr Brenner liegt im Klinikum«, antwortete ich. »Ein prima Kerl. Hat mir sofort sein Gästezimmer angeboten, als er von meinem Pech hörte.«
    »Aber Sie müssen sich ja dort erst noch vorstellen.«
    Der Kommissar war wieder besser gelaunt und schien zu überlegen, wie er mir helfen könnte.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, in einem Büro zu schlafen, können Sie ausnahmsweise im Kommissariat übernachten«, sagte er dann. »Wir haben da einen Ruheraum mit einer Pritsche. Ist zwar nicht komfortabel, aber für eine Nacht wird es schon gehen. Bequemer als eine Kirchenbank jedenfalls …«
    Dieser Kommissar wurde, seit wir angekommen waren, direkt sympathisch, begleitete mich zum Ruheraum, brachte eine Schüssel mit Wasser für Oskar und wünschte mir eine gute Nacht.
    »Hier sind Sie wenigstens sicher«, waren seine letzten Worte, als er die Tür hinter sich schloss.
     
    Am nächsten Vormittag brachten mich zwei Beamte mit einem Streifenwagen ins Zentrum zurück und ließen mich mit Oskar bei der City-Galerie aussteigen.
    Ich wusste nicht, ob ich mich über meine neu gewonnene Freiheit freuen sollte. Dunkel glotzten mich die Glastüren am Eingang des Einkaufszentrums an. ›Komm nur herein, Namenloser‹, schienen sie zu sagen, als ich den rechten Flügel nach innen schob und über den kräftigen Luftstrom der Heizanlage in den Innenbereich des überdachten Einkaufszentrums trat. Ich aß beim Metzger ein Brötchen mit Fleischkäse und trank bei Tchibo eine Tasse Kaffee, bevor ich mit Oskar den Buchladen betrat, in dem mich die dunkelhaarige Verkäuferin so nett bedient hatte.
    Ob sie da war, meine Verkäuferin?
    Es war seltsam, aber ich klammerte mich an diesen flüchtigen Kontakt, lechzte nach einem freundlichen Wort, nach einem Lächeln in meiner Hölle der Einsamkeit.
    »Guten Tag«, hörte ich sie im nächsten Augenblick sagen und drehte mich um. Da stand sie neben mir, schmunzelte und sah mir mit ihren dunklen Augen offen und freundlich ins Gesicht.
    Mein Gott, ich bin ja noch unrasiert, schoss es mir durch den Kopf. Aber das schien sie nicht zu stören.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte sie nur und lächelte.
    ›Ja, natürlich‹, hätte ich am liebsten laut gerufen, ›ja, natürlich, sagen Sie mir meinen Namen. Sie kennen mich doch. Das fühle ich. Wir sind uns schon begegnet. Sie wissen, wer ich bin.‹ Aber ich wagte es nicht. Stattdessen sah ich sie nur unschlüssig an und murmelte: »Ich weiß nicht, ich wollte mich nur etwas umsehen …«
    »Aber gern«, kam höflich die Antwort. Sie verbeugte sich leicht und trat ein paar Schritte zur Seite.
    Idiot, dachte ich. Was war ich doch für ein Idiot. Statt sie zu fragen, ob sie mich vielleicht wirklich kannte, druckste ich herum wie ein Schuljunge, der zum ersten Mal seiner Angebeteten gegenübertritt.
    Sie hantierte jetzt an einem Regal auf der anderen Seite der Etage. Ab und zu sah sie zu mir herüber, aber nicht aufdringlich, sondern nur so, als ob sie sehen wollte, ob ich noch einen Ratschlag brauchte. Sie gefiel mir, sah gut aus, mit ihren schulterlangen dunklen Haaren, ihrem kräftigen Mund, ihren langen Beinen und ihren schönen, schlanken Händen. Rot leuchteten ihre Fingernägel, wenn sie die Bücher

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