Mainfall
etwas, das ich kannte. Einen Duft, der mich an etwas erinnerte, einen Duft von Blüten oder Parfum, den ich bereits gerochen hatte. Langsam drehte ich mich zur Seite und sah zur Tür. Da stand sie. Pechschwarze Haare, ein voller Mund, perlweiße Zähne, strahlende dunkle Augen, eine prall gefüllte Bluse, ein dunkler, enger Rock, hochhackige Pumps und eine Kroko-Handtasche, die lässig über ihrer Schulter hing.
»Hallo«, sagte sie mit ihrer tiefen, rauchigen Stimme, die mir ebenfalls bekannt vorkam.
»Hallo«, antwortete ich unwillkürlich, als ob ich sie schon lange kannte. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich in Wirklichkeit verzweifelt in der hintersten Ecke meines Gehirns danach suchte, wer sie war und wo ich sie schon einmal gesehen hatte.
»Ich bin froh, dass ich dich gefunden habe«, sagte sie.
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Mir fiel ihr Name nicht ein, ich konnte mich an nichts erinnern, nur diese Stimme und diesen Geruch kannte ich mit Sicherheit.
»Wie hast du mich gefunden?«
»Ich bekam einen Brief mit einem Bild von dir und einem Zeitungsbericht über den König von Aschaffenburg. Ich habe dich sofort erkannt, obwohl ich mich wunderte, was du jetzt machst.« Sie sagte das fast abfällig, als wäre König zu sein unter meiner Würde.
»Und von wem war der Brief?«
»Das weiß ich leider nicht. Kein Absender, keine Unterschrift, kein Hinweis, wer den Brief geschickt hat«, antwortete sie. »Aber es war mir auch egal. Hauptsache, ich wusste, wo du steckst.«
Sie duzte mich mit einer Selbstverständlichkeit, die mich fast erschreckte. Ich stand auf und ging auf sie zu. Nur die Kordel trennte uns. Sie war einen halben Kopf kleiner als ich, und nachdem sie einen Schritt näher herantrat, küsste ich sie zur Begrüßung zuerst auf die linke, dann auf die rechte Wange, als wäre es ganz natürlich und ich hätte nie etwas anderes getan. Ihre Haut war glatt und weich, schmeckte nach mehr und dieser Duft stieg mir noch stärker in die Nase.
»Ich bin heute früh direkt nach Frankfurt geflogen. War kein Problem. Hatte sogar vor deiner zweiten Audienz noch etwas Zeit«, sagte sie.
Ich schluckte. Ich konnte mich wieder einmal an nichts erinnern. Weder wusste ich, wo sie wohnte noch wer sie war.
»Wie war noch gleich dein Name?«, sagte ich, wie um mich zu entschuldigen. »Ich weiß nur, dass ich dich kenne, aber woher – keine Ahnung!«
Sie wirkte kurz verstört. »Du weißt gar nichts mehr?« Entsetzt starrte sie mich an.
»Überhaupt nichts«, stammelte ich und war erleichtert, das nun endlich klargestellt zu haben.
»Aber Dieter, erinnerst du dich an gar nichts mehr?«
Sie war mir jetzt ganz nahe gekommen. Ihre Nase berührte fast die meine, ich spürte ihren Atem, roch ihr Parfum, wusste, dass ich sie kannte, konnte mich aber an nichts erinnern, nicht einmal an ihren Namen.
»Ich bin Gina«, hauchte sie mit ihrer rauchigen Stimme. »Du musst zu mir kommen. Du wirst dich bestimmt erinnern«, fügte sie hinzu. Sie sprach perfekt Deutsch, allerdings mit einem Akzent, der sie noch interessanter erscheinen ließ. Sie erzählte mir, dass ich sie oft in Rom besucht hatte. Sie glaubte, ich sei Schriftsteller, denn ich hätte mir immer Notizen über alles gemacht, was ich sah, und ihr auch ein Gedicht gewidmet. Genaueres über mich wusste aber auch sie nicht.
»Du warst immer sehr schwer zu durchschauen«, sagte sie. »Aber für mich war das egal. Ich liebe dich, so wie du bist. Komm bitte mit nach Rom. Du wirst dich bestimmt erinnern.«
Zum Glück waren um diese Zeit keine anderen Besucher mehr da, sonst wäre mir die ganze Sache sicher peinlich gewesen. So aber begann ich die Situation zu genießen und ließ mich dazu hinreißen, ihr einen Kuss zu geben. Heiß lagen ihre Lippen auf den meinen. Sie hatte ihre Arme über meine Schultern gelegt, ich spürte ihre Brust an der meinen und merkte, wie sie mir ihre Hüfte entgegenschob.
»Ich will dich«, seufzte sie. »Kannst du nicht mitkommen? Mein Flugzeug geht in zwei Stunden. Sie haben sicher noch Plätze frei. Auch auf dem Hinflug war einiges leer.«
Im selben Moment bellte Oskar. Er hatte die ganze Zeit still auf seinem Kissen neben dem Sekretär gelegen und wurde langsam eifersüchtig.
»Du siehst, Oskar hat etwas dagegen«, sagte ich. »Ich kann hier tatsächlich nicht so Hals über Kopf verschwinden. Man würde mich vermissen. Ich muss mich beim Kommissar abmelden, wenn ich die Stadt verlasse.«
Ich erzählte ihr von Isabell,
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