Mainfall
von Paul und Corinna und von meinen Audienzen, die ich regelmäßig abzuhalten hatte. Irgendwann sah sie unruhig auf ihre Uhr.
»Ich muss los, Dieter. Hier, meine Handynummer, ruf mich an!«, sagte sie und drückte mir ihr Kärtchen in die Hand. Sie warf sich an mich, küsste mich leidenschaftlich und riss sich von mir los. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verschwand mit wiegenden Schritten in der Zimmerflucht des Schlosses.
›Halt!‹, wollte ich rufen. ›Halt, ich muss dich noch etwas fragen‹, doch ich brachte kein Wort über die Lippen. Wie benommen stand ich hinter der goldfarbenen Kordel im Turmzimmer des Schlosses und sah ihr hinterher. Wie ein Bote aus einer anderen Welt kam sie mir vor, der jetzt wieder verschwand und sein Geheimnis mit sich nahm. Erst als sie am Ende des Ganges um die Ecke gebogen war, löste sich meine Erstarrung. Ich warf meinen königlichen Umhang auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, legte meine Krone ab, sagte zu Oskar »Bleib!« und eilte ihr hinterher. Am Eingang des Schlosses sah ich sie, wie sie über die steinerne Brücke hastete und in ein Taxi stieg, das dort auf sie gewartet haben musste. Dann war sie verschwunden.
Enttäuscht schlich ich zum Turmzimmer zurück. Im Treppenhaus und in den Zimmerfluchten hing noch der Duft ihres Parfums. Als ich mich meinem Schreibzimmer näherte, kam mir Oskar schwanzwedelnd entgegen.
»Hab ich nicht gesagt, du sollst bleiben?«, schimpfte ich mit ihm. Aber das kümmerte ihn wenig.
Müde sank ich auf den Schreibtischstuhl. Gedanken gingen mir durch den Kopf. Wer hatte dieser Gina den Brief mit meinem Bild und dem Zeitungsbericht geschickt? Wer steckte dahinter?
Oskar winselte. Er hatte jetzt wohl genug von diesem Turmzimmer, in dem mir heute keine Geschichten mehr einfallen wollten, und erinnerte mich daran, dass es höchste Zeit war, zu Brenners nach Hause zu gehen.
14
Zwei Wochen später saß ich im Flugzeug nach Rom.
Rotfux hatte mir wider Erwarten die Reise genehmigt, nachdem ich ihm die Handynummer von Gina gegeben und er noch am selben Abend länger mit ihr telefoniert hatte. Er hoffte so wie ich, dass ich bei Gina Hinweise auf meine Vergangenheit finden könnte. Natürlich war der Kommissar seit der Drohung mit dem Kranz auf Ulrichs Grabhügel noch vorsichtiger geworden, aber da bisher keine Verdachtsmomente in Verbindung mit Italien aufgetaucht waren, ließ er mich reisen.
»Sie sind natürlich vorsichtig, wenn Sie etwas Verdächtiges bemerken«, hatte er mir ans Herz gelegt. »Keine dunklen Gassen, keine zwielichtigen Kneipen, bleiben Sie bei Gina, das ist Ihre beste Tarnung.«
Die schneebedeckten Alpen, Florenz und Pisa hatte die Maschine schon überflogen und setzte nun zum Landeanflug auf die Ewige Stadt an. Von dem Fenster aus war auf meiner Seite das Meer zu sehen, dann sausten Bäume und Häuser unter mir vorbei, bevor die Maschine der Alitalia mit leichtem Ruck auf der Landebahn aufsetzte.
»Schön, dass du da bist«, begrüßte mich Gina, als ich das Empfangsgebäude mit meinem Koffer verließ. Sie warf sich mir entgegen, gab mir einen leidenschaftlichen Begrüßungskuss und lag einen Moment lang in meinen Armen. Ich roch erneut den Duft ihres Parfums, fühlte ihre Lippen auf den meinen und spürte ihren warmen Körper, der sich sehnsüchtig an mich presste. Sie sah bezaubernd aus, trug eine enge Hose und eine sportliche sonnengelbe Bluse, über die ihre dunklen Haare locker fielen.
»Auch ich freue mich«, sagte ich, während wir Hand in Hand zu den Taxis gingen, die in einer langen Reihe vor der Ankunftshalle warteten. Gina verhandelte mit einem der Fahrer, mein Koffer wurde eingeladen und los ging’s in Richtung Lido di Ostia.
»Wir fahren zu unserem Ferienhaus am Strand«, sagte Gina, die sich auf der Rückbank des Taxis an mich kuschelte. »Francesco ist für zwei Tage auf der Messe in Milano. Der wird uns nicht stören.«
»Francesco?«, fragte ich unsicher.
»Ja, Francesco, du weißt schon, mein Mann!«
Nein, ich wusste wie immer nichts. Ich hatte keine Ahnung, dass sie einen Mann hatte, sonst hätte ich mich nicht mit ihr verabredet. Für sie aber schien das nichts Besonderes zu sein. Sie kuschelte sich unbeirrt an mich, als ob es völlig normal war, einen Mann und zusätzlich einen Freund
zu haben.
Nach etwa einer halben Stunde erreichten wir den Lido von Ostia, den Strand der Römer mit seinen Villen und Ferienhäusern.
»Und? Erkennst du Ostia wieder?«, fragte Gina interessiert.
Wir
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