Mainfall
konnte.
Mitten in diese verzweifelten Überlegungen hinein hörte ich ein Bellen über uns. Zuerst ganz leise, dann kräftiger. Auch war es mir, als ob ich Schaufeln ausmachen konnte.
Waren womöglich die Ganoven zurückgekommen? Hatten sie den Wasservorrat so berechnet, dass er genau bis zu ihrer Rückkehr reichte?
Ich schrie erneut durch den Luftschlauch um Hilfe und vernahm eine Antwort: »Wir kommen.«
Nach einiger Zeit, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, vernahm ich Schritte auf dem Brett und einige Stimmen. Schließlich bewegte sich das Brett und wurde vom Erdloch weggezogen. Ich war geblendet vom grellen Tageslicht, konnte zuerst nichts erkennen. Dann sah ich Beine, die um das Erdloch herumstanden, und wie die Personen, die zu den Beinen gehörten, entsetzt in meine Erdhöhle blickten.
»Du lieber Himmel«, rief Isabell, »das ist ja schrecklich!«
»Wahnsinn«, murmelte Kommissar Rotfux, »vier Tage in einem solchen Loch zu liegen.«
»Brav«, lobte ein Herr seine Schäferhündin. »Wenn Alexa ihn nicht gefunden hätte, hätte er sicher keine Chance gehabt.«
Mir kam der Mann bekannt vor und Isabell schien ihn auch zu kennen, vielleicht aus einem Geschäft, ich konnte das gerade nicht sagen. Ich versuchte aufzustehen, aber es ging nicht. Zu steif waren meine Knochen. Rotfux stieg ins Erdloch hinab und half mir auf. Ich war beeindruckt, denn das hätte ich nicht von ihm erwartet.
»Sie werden sich wieder besser fühlen. – Aber es braucht alles Zeit«, sagte er.
Ich muss total verwildert ausgesehen haben: Schmutzig, ungewaschen, mit Bartstoppeln im Gesicht und bestimmt roch ich nicht so gut, da Oskar mich ja angepinkelt hatte.
»Geben Sie mir mal den Hund«, sagte Rotfux, »damit Sie besser gehen können.«
»Der bleibt bei mir«, wehrte ich mich.
Dann erzählte ich allen Anwesenden die Geschichte meiner Entführung und man hätte eine Stecknadel im Wald fallen hören können.
»Also ist dir Oskar ein zweites Mal zur Seite gestanden«, sagte Isabell. »Zuerst zieht er dich aus dem Main, danach rettet er dich aus diesem Erdloch. Unglaublich!«
Kommissar Rotfux gab seine Anweisungen an die Spurensicherung. »Überall Fingerabdrücke nehmen, Reifenspuren untersuchen, DNA-Proben sichern«, sagte er. »Alles genauestens prüfen. Wir müssen die Täter erwischen.«
Inzwischen füllte sich der Wald mit Schaulustigen. Es schien sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen zu haben, dass ich in der Nähe der Teufelskanzel, einem Aussichtspunkt im Wald, in einem Erdloch gefunden worden sei. Ganz Aschaffenburg hatte natürlich mitbekommen, dass der Märchenkönig verschwunden war, die Bürger waren zur Suche aufgefordert worden, was sicher mit ein Grund dafür war, dass die Schäferhündin Alexa Oskar gewittert und uns entdeckt hatte.
Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, ließ Kommissar Rotfux mich zum Haus von Brenners bringen.
»Machen Sie sich erst mal frisch«, sagte er zu mir. »Anschließend komme ich vorbei. Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
Da waren sie wieder, die Fragen des Kommissars. Doch diesmal nahm ich mir vor, sie alle zu beantworten, denn es war mir erneut klar geworden, dass mein Leben am seidenen Faden hing und mit diesen Ganoven sicher nicht zu spaßen war.
16
Das 400-jährige Jubiläum des Aschaffenburger Schlosses steuerte im Juni auf seinen ersten Höhepunkt zu. Meine Audienzen waren brechend voll und es fanden zusätzliche Termine am Samstagnachmittag statt. Dadurch erhielt ich auch mehr Honorar und konnte Isabell sogar eine Miete zahlen, die für mein Zimmer angemessen war.
Doch je besser alles lief, desto mehr wurde auch das zum Problem. Isabell zeigte mir immer deutlicher, dass sie mich mochte, und es fiel mir zunehmend schwerer, mich abends in mein Zimmer zurückzuziehen und mich dort allein in mein Bett zu legen. Es war, wie wenn man den Duft eines leckeren Bratens aus der Backröhre riecht, aber genau weiß, dass man niemals davon wird kosten dürfen. Ulrich stand zwischen uns, und ich hatte das Gefühl, dass er eifersüchtig über Isabell wachte.
Anfang Juni erhielten schlagartig die Gedanken an meine Vergangenheit neue Nahrung. Kommissar Rotfux war wieder aktiv geworden. Er hatte mich angerufen und mich darum gebeten, bei ihm im Büro vorbeizukommen.
»Ich habe Neuigkeiten für Sie«, begrüßte er mich.
»Haben Sie etwas gefunden?« Ich zitterte vor Aufregung und merkte bei der Gelegenheit, wie wichtig mir meine Vergangenheit doch immer noch
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