Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
Vom Netzwerk:
spürte, dass er atmete, fühlte seinen kleinen Körper auf mir, legte meine Hände um seine Brust, in der dieses kleine Herz schlug, das mich so liebte. Ich hatte plötzlich keine Angst mehr. Ich wusste, wenn ich sterben würde, dann wäre es mit diesem Dackel auf meiner Brust, dem besten Freund, den ich auf der Welt hatte. Er hatte mich aus dem Main gezogen, er hatte mich bei der Entführung in diesem Keller von der Kapuze befreit, jetzt musste ich ihn retten oder wir würden beide gemeinsam enden. Ich streichelte ihm über seinen Rücken, legte seinen Schwanz um den Körper, wie er das selbst tat, wenn er sich zum Schlafen einrollte. Ich strich ihm sanft über seinen kleinen Kopf, der ganz flach auf meiner Brust lag.
    »Schlaf gut, Oskar«, sagte ich leise, »schlaf dich aus und werde wieder gesund, mein Kleiner«.
    Ich musste daraufhin selbst eingeschlafen sein und wurde erst wieder wach, als Oskar sich bewegte. Ich merkte, wie er versuchte, sich hinzustellen, es jedoch nicht klappte, da er unter seinem Sack gefangen war. Deshalb bellte er. Nur leise, aber er bellte. Und anschließend wurde es nass auf meiner Brust. Nass und warm. Er hatte mich angepinkelt.
    »Was machst du denn, Oskar?«, sagte ich zu ihm.
    Aber ich war ihm natürlich nicht böse, sondern freute mich, dass er noch lebte und anscheinend die Nacht gut überstanden hatte. Ich schaltete kurz die Taschenlampe ein und sah, dass die Schwellung an seinem Auge etwas zurückgegangen war. Dann gab ich ihm Wasser zu trinken und nahm selbst aus der Flasche einen Schluck. Die Taschenlampe schaltete ich wieder aus, da ich nicht wusste, wie lange die Batterien halten würden. Mir war zwar nicht ganz klar, wofür ich sparte, denn eigentlich war meine Situation ja aussichtslos, aber irgendwie hoffte ich dennoch, dieses Erdloch wieder lebend verlassen zu können.
    Da sie mich nicht gleich umgebracht hatten, würden sie mich vielleicht wieder befreien. Irgendeinen Sinn musste das Ganze ja haben. Vielleicht war es ein neuerlicher Erpressungsversuch des Frankfurter Tittenkönigs und sie würden Geld erhalten, wenn sie mich auslieferten … Oder Kommissar Rotfux würde mich finden. Isabell hatte bestimmt eine Vermisstenanzeige aufgegeben und Rotfux würde sicher seine Suchtrupps in Bewegung setzen.
    Von Zeit zu Zeit nahm ich einen meiner Schuhe und trommelte von unten gegen das Brett, um Krach zu machen. Ich hoffte, Spaziergänger könnten die Geräusche hören. Oder ich schrie in das Lüftungsrohr laut um Hilfe, allerdings ohne Erfolg. Mehrere Tage verbrachte ich so in diesem Erdloch. Ich roch den Gestank schon gar nicht mehr, der mich umgab. Ich verrichtete meine Notdurft im hinteren Teil des Erdloches. Zwar deckte ich alles so gut es ging mit Erde zu, doch das half nicht viel.
    Wie ich so aussichtslos in diesem Erdloch dahinvegetierte, bereute ich, an der Talkshow im ZDF überhaupt teilgenommen zu haben. Obwohl ich Angst gehabt hatte und eigentlich nicht mitmachen wollte, hatte mich Rotfux überredet. Er war sich sicher, dass er mich schützen könnte. Nun lag ich hoffnungslos in diesem Erdloch und ärgerte mich über den Kommissar, der den Mund wohl etwas voll genommen hatte.
    Ich teilte das Mineralwasser mit Oskar. Er wurde zunehmend kräftiger und bellte immer intensiver. Als wir die letzte Flasche fast geleert hatten, begann ich mich zu fragen, wie es weitergehen sollte. Wahrscheinlich würden wir jämmerlich verdursten, wenn nicht bald Hilfe käme. Ich legte Oskar auf meine Brust und wartete. Die letzten Schlucke tranken wir im Abstand von Stunden, dann war der ganze Wasservorrat aufgebraucht.
    »Ich kann dir jetzt nichts mehr geben, Oskar«, tröstete ich ihn.
    Schwerer als mein eigener Durst war für mich das Winseln des Hundes zu ertragen, der nach Wasser und nach Fressen bettelte und wahrscheinlich nicht verstehen konnte, dass ich nichts besorgen konnte. Dabei quälte mich wahrscheinlich genauso wie Oskar mein leerer Magen. Ich fühlte meine Kräfte immer mehr schwinden.
    »Ich hab doch nichts«, sagte ich immer wieder zu ihm und konnte nur hoffen, dass er verstand.
    Irgendwann wurde er so unruhig, dass er nur noch bellte. Es mussten Stunden gewesen sein, die er bellend zubrachte. Ich konnte machen, was ich wollte, ich schaffte es nicht, ihn zu beruhigen. Ich weinte vor Erschöpfung und er schleckte meine Tränen ab. Ich spürte seine kleine weiche Zunge in meinem Gesicht und dachte, dass dies vielleicht die letzte Zärtlichkeit war, die er mir geben

Weitere Kostenlose Bücher