Mainfall
Zuschriften suchte. Zum Glück hatte ich sie an verschiedenen Stellen im Kleiderschrank gut versteckt, da ich verhindern wollte, dass Isabell sie fand. So gelang es mir, die Zuschrift von Maria Oberwiesner aus München, die Briefe von Natalie und Gina, zwei Zuschriften aus Berlin, eine aus Freiburg und eine aus Frankfurt aus meinen Wäschefächern zu ziehen, ohne dass ich Melanie verraten musste.
»Sind das auch alle Briefe?«, fragte der eine der beiden Streifenpolizisten. »Nicht, dass Sie noch etwas in Ihrer Wäsche vergessen haben.«
Er schmunzelte und fand es anscheinend lustig, dass ich meine Post zwischen der Unterwäsche aufhob.
»Die Zuschriften der Frauen waren mir peinlich«, erklärte ich mein Versteck. »Ich wollte nicht, dass die Kinder oder Frau Brenner sie entdecken.«
Um die Polizisten zu beruhigen, tat ich so, als ob ich meine Wäsche nochmals komplett durchsuchte. »Nein, das sind wirklich alle Briefe«, sagte ich.
»Na gut, dann fahren wir wieder zum Revier zurück und übergeben dem Kommissar die Zuschriften.«
Ich begleitete die Streifenpolizisten noch nach draußen.
Es bedrückte mich, dass ich jetzt quasi eingesperrt war. Der ewige Trott, das tägliche Einerlei ließen mich am Sinn meines Lebens zweifeln. Samstags und sonntags Audienz als König von Aschaffenburg, die Woche über Gartenarbeit, Schularbeiten mit den Kindern, Plaudern mit Isabell – das alles frustrierte mich.
»Wir haben etwas sehr Interessantes entdeckt«, sagte Kommissar Rotfux zu mir, als ich zwei Wochen später wieder sein Büro betrat.
»Ja? Was denn, bitte?«, fragte ich.
»Alle Frauen, die Ihnen Briefe geschrieben haben, kannten Sie tatsächlich«, sagte Rotfux stolz.
»Ach, wirklich?«, wunderte ich mich. »Und woher?«
»Na, raten Sie mal«, machte es Rotfux spannend.
»Keine Ahnung.«
»Da kommen Sie nie drauf«, feixte Rotfux.
Er lächelte und fuhr mit seiner Zunge über seinen schmalen Oberlippenbart, als ob er sich eine Köstlichkeit auf der Lippe zergehen ließ.
»Venedig«, sagte er dann. »Sie haben sich mit allen in Venedig getroffen. Nur Gina haben Sie in Rom kennengelernt.«
»Ach?«, wunderte ich mich.
»Und das Verrückteste«, fuhr Rotfux fort, »das Verrückteste ist, alle Frauen behaupten, sie hätten sich unsterblich in Sie verliebt.«
»Dann wissen Sie jetzt sicher wenigstens meinen Namen.«
»Sagen wir mal so, den Namen, den Sie dafür verwendet haben. Sie nannten sich Dieter von Franca, was sicher geschwindelt war, denn einen solchen Namen haben wir nicht im Personenregister feststellen können.
»Dieter von Franca«, stammelte ich. Jetzt hatte ich einen Namen, der aber bestimmt nicht mein richtiger war. »Dann sind wir ja so klug wie zuvor«, murmelte ich.
»So kann man es sagen«, nickte Rotfux.
»Und es gibt keine sonstigen Spuren?«
»Noch keine, Herr … äh … Herr König. Aber wir werden weiter nachforschen.«
Er hatte mich König genannt, da ihm von Franca wohl zu albern vorkam, und ich war ihm dafür dankbar, denn ich sah das genauso.
Die Informationen des Kommissars machten mich noch ratloser. Ich schien ein rechter Casanova gewesen zu sein, und das unter falschem Namen, was mich keinen Millimeter weiterbrachte. Warum gerade Venedig?, fragte ich mich. Natalie fiel mir ein. Auch sie hatte erzählt, dass wir uns in Venedig kennengelernt hatten und dass sie die Stadt gern noch einmal mit mir besuchen würde. Ich fragte mich, ob ich mit Natalie das Geheimnis lüften könnte. Ob bei einer Venedigreise irgendeine Erinnerung in mir wach würde? Nur, wie sollte das gehen?
Mit solchen Gedanken kehrte ich zu Isabell und den Kindern zurück. Sie bemerkte gleich, dass mich etwas beschäftigte.
»Gibt es etwas Neues vom Kommissar?«, fragte sie schon an der Haustür.
Ich zögerte.
»Nicht wirklich«, brummte ich.
»Aber aus irgendeinem Grund muss er dich doch einbestellt haben …«
Da sie nicht locker ließ, entschloss ich mich, ihr die Wahrheit zu sagen. »Die Frauen, von denen ich Zuschriften erhalten habe, kannten mich alle«, sagte ich, »und alle haben sich in mich verliebt!«
»Alle Achtung«, lachte Isabell, wobei ihr Lachen nicht wirklich fröhlich klang. »Du warst ja ein richtiger Draufgänger!«
»Sieht so aus …«, seufzte ich. »Aber das bringt mich leider nicht weiter! Sie nannten mich alle Dieter von Franca, was aber wohl ein erfundener Name ist.«
Es war mir nicht recht, gegenüber Isabell alles zu offenbaren, was der Kommissar
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