Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)
mir das sagen. Das weißt du, oder?”
Er sagt nichts, hält mich nur fest und gibt mir damit die einzige Antwort, die ich hören will. Solange er mich so in seinen Armen hält, kann nicht viel schiefgehen. Mein Vater und Oceanside sind weit genug weg. Darum muss er sich keine Sorgen machen. Ich spüre seine Lippen an meinem Ohr.
„Wenn dir jemand wehtun will, muss er erst mal an mir vorbei.”
Der Tonfall seiner Stimme macht nur zu deutlich, wie ernst er das meint. Zu lange habe ich mich alleine gegen alles gewehrt, was wehtun könnte: gegen die Erinnerungen und die Zukunft. Jetzt ist er hier … und das eisige Gefühl von Einsamkeit verschwindet langsam. So fühlt es sich also an, wenn die Eisdecke schmilzt und der Frühling wiederkommt. Ich mache mich verletzlich und angreifbar. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, macht mir das alles ein bisschen Angst. Trotzdem finde ich den Mut und sehe wieder zu ihm.
„Brich mir nicht das Herz, Jared Parker.”
Er schüttelt ernst den Kopf.
„Niemals.”
Er beugt sich zu mir. Ich spüre seine Lippen sanft auf meinen und lasse ihn mich küssen. Ich gebe mich dem Impuls hin, küsse ihn etwas inniger und fühle den Wunsch, mehr von ihm zu spüren. Seine Hände wandern zu meinen Hüften und ich presse mich enger gegen seinen Körper. Meine Hände streicheln über seine Arme, das einzige bisschen Haut, das ich zu fassen bekomme – und doch ist es zu wenig, um mein Verlangen nach mehr zu stillen. Jared löst sich vorsichtig von mir und grinst mich an.
„Komm, fahren wir besser. Ryan wartet mit deinem Wagen auf uns.”
Ich will sofort widersprechen, will ihm sagen, dass der Volvo morgen immer noch da sein wird.
„Aber …”
Jared schüttelt schnell den Kopf, als ob er sonst nicht widerstehen könnte.
„Alles andere … später.”
Mit einem Augenzwinkern schiebt er mich in Richtung Beifahrertür und unter leisem Protest gebe ich schließlich auf.
Das Gewitter gestern Nacht hat so vieles weggespült. Vielleicht kommt mir deswegen dieser Sommertag anders vor. Es ist warm, aber die drückende Schwüle hat sich verzogen. Zusammen mit einigen schweren Gedanken, die mich lange begleitet haben. Ich lehne an Jareds Schulter, meine Füße hängen nackt aus dem geöffneten Seitenfester. Jared hat einen Arm um mich gelegt und fährt konstant auf der rechten Spur, weil er es ebenso wenig wie ich eilig hat, nach Boston zurückzukehren. Die Musik aus dem Radio bildet den perfekten Soundtrack zu diesem Roadtrip. Wenn ich die Augen schließe, dann gönne ich mir einen kurzen Moment des Friedens … Was mein Vater gesagt hat, ist kompletter Unsinn. Mein innerliches Unbehagen, wenn ich an das Red Lion Pub und all die Gäste dort denke, verdränge ich, weil ich mich auf Jareds Körper und seinen Geruch konzentriere. Es ist mir egal, was andere sagen werden. Sarahs Blicke sind mir egal, die Gerüchte, das Gerede. Sie werden verstummen. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass Sarahs neue Männergeschichten, sobald sie mit Trevor fertig ist, für mehr Gesprächsstoff sorgen dürften. Ich werde mit jedem Tag ein bisschen langweiliger, werde immer mehr in der Menge verschwinden – und bevor ich mich versehe, bin ich nur noch ein weiteres Gesicht auf den Gängen des Colleges. Diese Erkenntnis zeichnet mir ein Lächeln auf die Lippen. Das wäre eine willkommene Abwechslung. Die letzten Jahre waren anstrengend.
Ich öffne die Augen wieder und mich beschleicht erneut das Gefühl, dass das alles nicht ganz so einfach werden wird. Vielleicht kann ich endlich aufhören, nur die toughe Lynn zu sein. Mit einem Anker wie Jared an meiner Seite, sollte das nicht zu schwer werden. Ein bisschen loslassen. Nur ein bisschen. Jared drückt mir einen Kuss auf die Wange und mein Herz hat sich entschieden. Für ihn.
Ryan Slater ist etwas größer als Jared, hat braunes Haar, das er sich immer wieder aus der Stirn streicht und dabei Ölspuren auf seinem Gesicht verteilt. Er trägt ein weißes, ärmelloses T-Shirt und ausgewaschene Jeans. Sein Gesicht wirkt kantig, der Dreitagebart lässt ihn älter aussehen, als er vermutlich ist. Jared begrüßt er mit einer Umarmung, die darauf schließen lässt, dass die beiden sich schon länger und gut kennen. Einige Male habe ich ihn im Red Lion Pub gesehen, aber er schien nur ein weiterer Kunde an der Bar zu sein.
„Schicke Klamotten, Parker. Neuer Style?”
„Notfall-Outfit.”
Jared nickt zu mir und die beiden Männer grinsen sich vielsagend an.
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