Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)
scheint die ganze Geschichte hinter Jareds Bruder zu kennen. Zumindest weiß er bis zum jetzigen Zeitpunkt mehr als ich. Ein kurzer Blick über die Schulter reicht aus, um zu sehen, dass Jared noch immer telefoniert.
„Jason fehlt Jared ziemlich, hm?”
Ich versuche die wenigen Informationen, die ich über seinen Bruder habe, so einzusetzen, dass ich mehr darüber erfahren kann. Ryan nickt nur, sieht mich aber nicht an. Er scheint keine große Hilfe zu sein, was dieses Thema angeht. Oder er will einfach nicht darüber reden.
„Kennst du Jason?”
Meine Stimme soll den Anschein erwecken, es wäre nur ein bisschen Smalltalk und kein Aushorchen. Ryan hebt langsam den Blick. Ich weiß schon, bevor seine braunen Augen mich nachdenklich ansehen, dass er mich durchschaut hat.
„Wenn er es dir erzählen will, wird er es tun.”
Er hat recht. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn andere rumschnüffeln. Wie weh es tut, wenn falsche Infos die Runde machen und Gerüchte entstehen, die keinen anderen Zweck haben, als Wunden aufzureißen. Jared wird es mir eines Tages erzählen. Nicht jetzt. Aber vielleicht bald.
„Hey, Lynn, kannst du alleine ins Wohnheim fahren?”
Jared taucht hinter uns auf und seine Stimme klingt angestrengt, als wäre er gerannt. Als hätte er noch eine ganze Strecke vor sich.
„Ähm, sicher, klar.”
Mein Kopf fühlt sich plötzlich so an, als wäre ich aus einem Karussell gestiegen, das sich zu schnell gedreht hat. Eine kleine Veränderung, die sich wie ein Zweifel über alles legt. Über die letzten Stunden. Über das Gerüst, dass Jared und ich gebaut haben. Als wäre es nicht ohnehin schon wackelig genug.
„Okay. Ich muss los.”
Das ist alles? Jared sieht zwischen mir und Ryan hin und her und nickt, dabei wirkt er gehetzt und weicht meinem Blick aus, so weit es möglich ist. Mein Herzschlag verlangsamt sich rapide.
„Sehe ich dich heute Abend im Red Lion ?”
Er nickt, ist aber schon am Weggehen – und ich tue das, was ich nicht tun wollte: Ich gehe ihm nach und erreiche ihn, als er gerade in den Wagen steigen will.
„Jared, warte! Was ist los?”
Nur kurz wirft er mir ein angespanntes Lächeln zu und will mich damit beruhigen. Doch es verfehlt sein Ziel und erreicht genau das Gegenteil. Sorge breitet sich rasend schnell in meiner Brust aus.
„Ich muss nur … Es dauert nicht lange. Aber …”
Wohin er auch immer gehen wird, es wirkt so, als müsse er einfach nur weg … weg von mir. Von uns. Seine Augen wirken leer und leblos. Sein Blick bittet mich nur allzu deutlich darum, keine Fragen zu stellen, ihm zu vertrauen, wie ich es bisher immer getan habe. Bisher hat er mich nicht enttäuscht. Langsam nicke ich und bemerke seinen erleichterten Gesichtsausdruck, als er auf mich zukommt und mich noch mal fest in die Arme nimmt. Die gleiche Geste, wie eben in der Werkstatt, doch diesmal fühlt sie sich fast fremd an. Ich schließe für einen kurzen Moment die Augen und atme seinen Duft tief ein.
„Kommst du zurück?”
Er muss mir ein Sicherheitsnetz dalassen. Irgendwas, das mich davor bewahrt, mich in meinen alten Zweifeln zu verstricken.
„Immer.”
„Okay. Geh schon.”
Ich sehe Jared nach, als er wegfährt. Ryan taucht neben mir auf und und lehnt sich für einen kleinen Moment an meine Schulter.
„Komm schon, drehen wir eine Runde mit deinem neuen Flitzer.”
Sein Lächeln wirkt beruhigend und das Angebot nehme ich nur zu gerne an. Ablenkung ist ein willkommenes Pflaster gegen böse Gedanken …
Claire ist nicht da, als ich das Zimmer betrete. Zum ersten Mal wünsche ich mir, dass sie anwesend wäre. Zum ersten Mal verspüre ich das dringende Bedürfnis, mit ihr zu sprechen, ihr zu erzählen, was alles passiert ist. Und wie ich mich fühle. Vollkommen egal, ob es ihr – wie es nun mal so ihre Art ist – rausrutscht und das ganze College davon erfahren würde. Daran denke ich noch gar nicht. … Wie es zwischen mir und Jared werden wird, wenn dieser Zustand einer romantischen Verzerrung der Realität nachlässt. Wenn sich das preisgekrönte, romantische Musical wieder in eine Daily Soap verwandelt, die nicht für den Golden Globe nominiert wird. Nein, im Moment hätte ich einfach nur gerne mit einer Freundin geredet. Der Autoschlüssel vom Volvo, den ich nicht bei Ryan lassen konnte, fühlt sich schwer an in meiner Hosentasche. Ganz so einfach ist das mit dem Loslassen also doch nicht. Der Dodge fährt sich ganz gut; das Schalten ist manchmal schwer und
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