Make Me Gluecklich
Zweitens fand ich es unglaublich und unverschämt, wie locker-flockig meine Mutter über mein Leben bestimmte. Kein »Könntest du mir einen Gefallen tun?« oder »Wann hättest du denn Zeit?«, sondern diese »Was ich nicht alles für dich tue!«-Haltung. Und drittens . . . WOW, New York! Wem prickelte es da nicht gleich in den Fingerspitzen?!
Doch ich wusste, dass der Pferdefuß noch kommen würde – und wahrscheinlich nicht nur einer.
». . . ich fliege morgen, also solltest du am besten heute noch in der Agentur vorbeikommen, dann können wir alles durchgehen . . .«
Herr Schubert stand jetzt vor dem Ladentisch, und sein Gesichtsausdruck entsprach einer Unwetterwarnung Stufe fünf. Oder sechs.
»Meine Mutter . . .«, flüsterte ich in einem hilflosen Versuch, den Orkan noch abzuwenden, und zeigte mit verzweifeltem Augenaufschlag aufs Handy.
Und da hatte ich zum ersten Mal an diesem Tag auch mal Glück. Mein Chef stockte mitten in der Bewegung, nickte und flüsterte in verständnisvollem Tonfall zurück: »Diese Mütter, da kann man nichts machen.« Mit einem schicksalsergebenen Schulterzucken drehte er sich um und trottete davon. Ich konnte es kaum fassen.
». . . ja, Schätzchen?! Gegen fünf dann! Und prüf doch bitte vorher nochmal deinen Reisepass . . . ach ja, und ein Friseurtermin könnte bestimmt auch nicht schaden, für alle Fälle! Soll ich einen für dich machen? Ich . . .«
»Nein. Nein! Du sollst keinen Friseurtermin für mich machen! Und um fünf könnte ich noch gar nicht, weil ich nämlich bis sechs arbeiten muss . . .«
Sie unterbrach mich wieder, bevor ich ihr noch weiter erläutern konnte, was ich von ihrer Art hielt, mich herumzukommandieren. »Oh, na gut, dann eben um sechs! Ich bin heute sowieso lange in der Agentur, um alles vorzubereiten. Heute ist Drehpause, weißt du, Gott sei Dank – ich habe ja neben der ganzen Filmerei auch noch Kunden zu versorgen! Und jetzt muss ich weiter telefonieren, Schätzchen, sei mir nicht böse, wir besprechen alles Weitere dann um sechs, bis dann, ciao, Süße, ciao!« Peng! Sie hatte aufgelegt.
Ich schloss verzweifelt die Augen. Beinahe dreißig, und ich kriegte es immer noch nicht hin! Ich war nicht dazu in der Lage, meiner Mutter ein für alle Mal klarzumachen, dass ich mein eigenes Leben führte, in dem sie mittlerweile nur noch Gast war. Und in dem sie sich bitteschön auch verhalten sollte wie ein Gast: freundlich und zurückhaltend (und ab und zu vielleicht ein kleines Geschenk).
Ich riss die Augen wieder auf. Hatte sie mir nicht eben ein Geschenk gemacht?! New York . . .
Aber das war ja keins. Irgendetwas sollte ich doch dort erledigen, und es war bestimmt nichts Angenehmes. Und überhaupt: übermorgen! Das konnte man ja total vergessen. Ich musste arbeiten, am Samstag war der Umzug in die neue Wohnung, und mit Leandra war ich auch noch verabredet – mit meiner besten Freundin, die ich kaum noch sah, seit sie nach Stuttgart gezogen war. Ich musste meine Mutter sofort zurückrufen, ihr kurz und knackig sagen, dass ich natürlich nicht kommen würde, und die Sache einfach vergessen.
Doch da erschien leider die erste Kundin des Tages, und ich kam nicht mehr dazu. Dann tauchte auch mein Chef wieder auf und musste unbedingt die neue Schaufensterdekoration mit mir besprechen, und als er irgendwann mal abgelenkt war, war bei meiner Mutter andauernd besetzt.
In der Mittagspause rief ich meine Freundinnen an, um ihnen vom Ansinnen meiner Mutter zu berichten.
Marie, die in einer Werbeagentur arbeitet und mich erst abwürgen wollte, weil sie eine »Besprechung« hatte, ließ diese aber umgehend sausen, als ich von New York anfing. Sie flüsterte auf mich ein, es sei doch eventuell viel souveränerr, wenn ich ganz lässig den Auftrag annehmen, ihn perfekt ausführen und meiner Mutter hinterher die Meinung geigen würde.
Silke war auf dem Weg zur Uni, um mit ihrem Prof zu sprechen (sie ist ein bisschen spät dran mit ihrem Abschluss), und hatte Zeit, alles ausführlich mit mir durchzugehen. Wir machten eine Pro- und Contra-Liste – nur so aus Spaß. Auf der Contra-Seite stand dick und fett meine Mutter, was ja nicht sehr gerecht war.
Leandra erwischte ich in Stuttgart an ihrem Schreibtisch; sie wollte gerade aufbrechen, um noch ein paar Besorgungen für ihre Reise nach Berlin zu machen. Sie hörte sich alles in Ruhe an, wie das so ihre Art ist, und fragte dann, was ich denn eigentlich wolle.
»Ich kann unter keinen Umständen fahren, gar kein
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