Make Me Gluecklich
stand schon wieder an Raouls Pult und plauderte mit ihm. Hätte ich geahnt, dass Denises Gespräch mit dem Doorman noch ihre angenehmste Unterhaltung mit einem Mann am heutigen Tage sein würde, hätte ich an meinem Verstand und ganz sicher an meinem Können gezweifelt. So aber fuhr ich mit meinen Schäfchen relativ vergnügt Richtung Grand Central.
Alle waren in aufgekratzter Stimmung; der Regen war verschwunden und hatte einem azurblauen Oktoberhimmel Platz gemacht. Die Sonne strahlte auf den glänzenden Asphalt. Einen Block vor dem imposanten Haupteingang des Bahnhofs sah ich zufällig das Schild einer Apotheke und beschloss spontan, hier auszusteigen und mir Blasenpflaster zu besorgen – ich wollte so schnell wie möglich wieder schickere Schuhe anziehen können.
Raf ließ mich aussteigen, und wir vereinbarten, uns in zehn Minuten unter der großen Uhr in der Bahnhofshallezu treffen – der erste Mann sollte uns auch dort treffen, zur selben Zeit.
Er war auch da, genauso wie ich, nur von den anderen war leider keine Spur zu entdecken. Immanuel aber, ein großer, blasser, verkniffen aussehender Typ, hatte wie verabredet die Fünf-Kilo-Wochenendausgabe der ›New York Times‹ unter dem Arm. Kein anderer Mensch wäre wohl je auf die Idee gekommen, dieses Papier-Ungetüm mit sich herumzutragen. Vom Aussehen her hätte ich Immanuel nicht erkannt; er musste das Foto aus der Datei stundenlang bearbeitet haben . . . Na ja. Vielleicht gefielen Denise ja sein rotblondes Haar und seine kantigen Gliedmaßen – alles war schließlich eine Frage des Geschmacks.
Nur fand ich, wie gesagt, Denise nicht, um ihr Immanuel vorzuführen. Ich verfluchte die Tatsache, dass die anderen keine Handys dabei hatten. Unglaublich: Im Ausland fürs Fernsehen zu arbeiten und dann kein taugliches Handy! Wo zum Teufel steckten sie bloß? Sie hätten viel früher hier sein müssen als ich . . .
Um fünf nach eins fing Immanuel an, sich über mangelnde Pünktlichkeit zu beklagen. Gerade das habe er sich bei Deutschen anders vorgestellt. Um Viertel nach eins, als die anderen endlich auftauchten, war Immanuels gute Laune (sollte er in seinem Leben so etwas jemals gehabt haben) endgültig dahin. Er konnte sich kaum dazu aufraffen, Denise anzulächeln, so schockiert war er.
Die anderen entschuldigten sich und erzählten eine wilde Geschichte von Raf, einem gegnerischen Lieferwagen, einem frechen Fahrer desselben und einem heftigen Streitgespräch, an dessen Ende herannahende Cops und eine Flucht ins Parkhaus standen.
Ich verstand die Geschichte nicht hundertprozentig, weil ich durch das Mienenspiel von Denise und Immanuel abgelenkt war. Die beiden konnten sich nicht leiden, das sah ein Blinder.
Die Chose war also gelaufen, bevor sie überhaupt angefangen hatte. Alle wahrten jedoch die Form, plauderten ein bisschen und gaben sich Mühe für die Kamera. Doch es blieb bei einem höflichen Drink an irgendeiner Bar im Bahnhof, und dann verschwand Immanuel auf Nimmerwiedersehen.
Alle waren irgendwie frustriert, sogar die Leutberger. Ich hätte ein böswilliges Glitzern in ihren Augen erwartet, aber sie verzichtete sogar darauf, Denise zu löchern. Wir schienen tatsächlich alle darauf zu warten, dass Denises Gesicht zu leuchten anfing, wenn sie mit einem Mann redete, dass ein Funke übersprang, dass ein Techtelmechtel anfing. Wir alle – bis hin zu Peter und Esther, die das Ganze doch eigentlich kaltlassen konnte.
Doch einstweilen passierte nichts dergleichen.
Wir lungerten nur herum bis zum nächsten Termin, weil die Zeit wieder nicht reichte, etwas zu unternehmen. Mit Brent waren wir beim Ententeich im Central Park verabredet, und wunderbarerweise waren sowohl wir pünktlich als auch er.
Doch zwischen ihm und Denise blieb wieder alles still – da sprang nichts über und fing nichts an zu leuchten. Brent selbst betrachtete meine kleine blonde Klientin sogar mit einem gewissen Wohlwollen, aber bei Denise tat sich einfach nichts. Dabei sah Brent gar nicht mal schlecht aus; er war im richtigen Alter, hatte einen anständigen Beruf und versprühte diese lustige amerikanische Herzlichkeit, die schon beinahe zum Klischee geworden ist. Bloß, dass Denise eben keine Lust zu haben schien auf einen jüngeren Jim Carrey mit Steakhaus (Brent betrieb ein Restaurant mit Namen »Meaty`s«).
Trotzdem gab es den obligatorischen Spaziergang um den Teich. Mama Westerweg, das Team und ich zockelten in größerem Abstand hinterher – ich als Schlusslicht,
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