Make Me Gluecklich
du mich veräppeln?!« Und er streckte mir mit anklagender Miene den Karton mit der Minikamera entgegen.
»Was meinst du . . .?« Ich begriff nicht.
»Das ist die alte! Die FlycamOne – die ich seit ungefähr anderthalb Jahren schon habe! Das solltest du aber echt wissen, oder?! Oder nimmst du mich auf den Arm und hast die neue in dem alten Karton?« Hoffnungsvoll äugte er an einer Ecke ins Dunkel der Schachtel.
Mir war nicht sehr wohl in meiner Haut. Verdammt noch mal – ich hatte in der Hektik tatsächlich nicht aufgepasst. Klar wusste ich, dass er dieses Modell schon hatte; wie hatte mir das bloß passieren können?!
»Scheiße. Mist, verdammter – es tut mir leid! Ich war so im Stress, nur Hektik und Chaos die ganzen Tage, und da hab ich wohl nicht richtig aufgepasst . . .«
»In dem Moment, als es um mich ging! Fuck , Nora – das war das Einzige, was du für mich tun solltest! Du bist einfach abgehauen beim Umzug, hast mich mit der ganzen Scheiße sitzen lassen, und dann konntest du noch nicht mal dabei aufpassen! Fuck!«
Ich konnte das F-Wort noch nie ausstehen, und schon gar nicht aus dem Mund von weißen Mitteleuropäern. Das wusste er ganz genau. Aber er war sauer und wollte mich provozieren. Und es gelang ihm.
»Ja, okay – verdammt«, zischte ich. »Es ist mir passiert. Es tut mir leid, ernsthaft, aber wenn du eine derartige Staatsaffäre daraus machst, dann bestell dir deine Sachen demnächst im Internet! Ich hatte eh eigentlich keine Zeit,aber du hast jedes Mal davon angefangen, wenn wir telefoniert haben: deine ach so verdammt wichtige Flycam !« Muffig das Gesicht verziehen konnte ich auch.
Er sah mich finster an. »Anscheinend hast du es ja echt vermisst, mit mir zu streiten – wir sind gerade mal eine halbe Stunde wieder zusammen!«
»Ich fange Streit an?! Du hast mich doch angemeckert, weil ich einen Fehler gemacht habe! Und du bist überhaupt nicht daran interessiert, was ich durchgemacht habe, sonst würdest du mir um den Hals fallen, weil ich überhaupt den Versuch gemacht habe, dir dieses Mistding zu besorgen!«
»Den Versuch – eben! Und deine ganzen Geschichten hab ich mir schon am Telefon angehört, falls du das vergessen hast.«
»Du hast dir ein Hundertstel von dem angehört, was ich erlebt habe!« Ich versuchte, meine Stimme im Zaum zu halten. Die ersten Leute sahen schon zu uns herüber.
Sven knallte lautstark das Messer auf den Tisch. »Mann, wenn ich gewusst hätte, wie du drauf bist, hätte ich mich heute früh nicht so beeilt damit, herauszukriegen, was mit dir ist!«
Ich stutzte. »Heute früh? Wieso heute früh? Ich bin einen ganzen Tag zu spät gekommen!«
»Weiß ich. Ich hab ja schon gestern Abend herumtelefoniert, aber niemanden erreicht.« Er blickte grummelnd in seine Tasse.
»Ich hätte gestern früh um sieben ankommen sollen. Du hast gestern Abend herumtelefoniert… Du warst also nicht am Flughafen?« Die Frage war eigentlich überflüssig.
Er hatte überhaupt nicht gemerkt, dass ich fehlte, einen ganzen Tag lang! Wie konnte das sein? Wie konnte mein Freund, mit dem ich gerade eben zusammengezogen war, so wenig Interesse für mich aufbringen . . .?!
»Let’s talk about sex, ba-by, let’s talk about you-an-me«.Das durfte nicht wahr sein. Dieser Song, dieses Telefon, jetzt, in diesem Moment. Ich hatte komplett vergessen, dass ich immer noch keinen neuen Klingelton eingestellt hatte.
Mit rotem Kopf fummelte ich das Ding aus meiner Handtasche. »Ja?«
»Frau Tessner! Endlich . . . ich habe es seit gestern Mittag versucht, aber noch nicht einmal eine Mailbox war zu erreichen. Ach so, hier Schubert. Vom Buchladen.«
Ich hatte seine Stimme gleich erkannt, schließlich war er mein Chef – vor gefühlten zwei Millionen Jahren. »Vom Buchladen«! Er war echt witzig, der Alte.
»Herr Schubert, guten Morgen! Das ist ja eigentlich sehr nett, dass Sie sich melden. Ich bin ja noch nicht sehr lange wieder zurück.«
»Ich weiß nicht, wann Sie angekommen sind, Frau Tessner. Ich weiß nur, dass Sie heute Morgen nicht hier angekommen sind.«
»Äh . . .« Ein furchtbarer Verdacht keimte in mir. Heute Morgen? Was war heute für ein Tag, Donnerstag?
Ach, du Scheiße. Es war Freitag. Ein kompletter Tag war verschwunden – untergegangen im Nebel einer amerikanischen Zelle.
»Ich kann mir denken«, sprach er weiter, nachdem er von mir nichts hörte, »dass es eine anstrengende Reise war und Sie erschöpft sind, Frau Tessner. Aber ich denke, Sie hätten doch
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