Make Me Gluecklich
wenigstens anrufen können, um mir zu sagen, dass Sie später kommen. Wir hatten das doch ausführlich besprochen – auch meinen Termin heute Vormittag.«
Mist, Mist, Mist. Jetzt fiel mir alles wieder ein, unsere Verabredung und auch seine unerwartete Großzügigkeit, mit der er mir überhaupt so kurzfristig Urlaub gegeben hatte.
»Ich äh . . ., es war wirklich sehr stressig, Herr Schubert, das stimmt. Ihr Termin heute… wissen Sie, ich bin äh . . . aufgehalten worden in New York und erst gestern Nacht hier eingetroffen . . .«
»Das tut mir leid, Frau Tessner. Aber ich bin Ihnen wirklich ausreichend entgegengekommen, meinen Sie nicht?! Und dieser Termin heute Mittag, ich sagte es ja, ist wirklich sehr wichtig für mich.«
Ich unterdrückte einen Seufzer von der Tiefe des Marianengrabens. »Klar, ich verstehe. Bis wann . . .«
»Um elf spätestens muss ich weg.«
»Ich komme so schnell wie möglich, Herr Schubert.«
»Gut, Frau Tessner. Bis gleich.«
Sven betrachtete mich mit zusammengekniffenen Augen. »Wie bitte? Wohin gehst du so schnell wie möglich ?«
Natürlich stritten wir uns weiter.
Wir stritten, bis wir bezahlt hatten, bis wir im Auto saßen und bis wir in der Nollendorfstraße vorfuhren. Zu guter Letzt war ich so entnervt, dass ich aus dem Wagen sprang und mich nicht mal mehr verabschiedete. Mein Koffer fiel mir erst fünf Minuten später wieder ein, aber da war Sven längst über alle Berge.
Herr Schubert grummelte immer noch ein bisschen, als ich schon längst wieder hinter der Kasse stand. Nicht eingehaltene Absprachen waren ihm ein Gräuel, ich wusste es ja, aber heute Morgen hielt sich mein schlechtes Gewissen in Grenzen. Jetzt stand ich hier, in meinem altvertrauten, dunklen und eigentlich ja geliebten Laden zwischen all den Büchern und fühlte mich so ätzend wie schon lange nicht mehr. Erschöpft, im jetlag und zerstritten mit meinem Freund – ich hatte wirklich schon bessere Tage gehabt.
Als Schubert um Viertel vor elf (endlich, endlich!) aus dem Geschäft trottete, hielt ich meine Tränen nicht mehr zurück. Ich hängte das »Komme gleich wieder«-Schild an die Tür und verzog mich für eine kleine Weile in das Hinterzimmer. Danach ging es mir ein bisschen besser, aber ich lungerte trotzdem noch ziemlich deprimiert hinter derKasse herum. Ich tat mir leid, ganz einfach. Wie kleine Blitze zuckten die Geschehnisse der letzten Tage durch mein Gehirn. Ich bekam die vielen Ereignisse einfach noch nicht in meinem Kopf sortiert und wusste im Grunde nicht, was ich von allem halten sollte . . . und über diesen Mistkerl Brannigan wollte ich eigentlich überhaupt nicht mehr nachdenken! Es war extrem frustrierend, dass einem die schlimmsten Typen immer am längsten im Kopf blieben.
Kurz vor eins klingelte mein Handy wieder, und zu meiner Freude war es Leandra. Endlich war jemand uneingeschränkt voll des Mitleids und hörte geduldig zu, ohne dauernd an sich selbst zu denken!
Wir quatschten, bis sich der Kunde vor meiner Kasse wirklich nicht mehr ignorieren ließ.
Dann war Schubert irgendwann wieder da, aber ich brachte trotzdem nicht den Mut auf, ihn noch einmal um einen Gefallen zu bitten: nämlich darum, früher gehen zu können. Ich fühlte mich irgendwie antriebslos und niedergeschlagen. Meine Finger glitten über die Einbände neu eingetroffener Bücher, aber ich empfand die übliche Freude daran nicht.
Die Ladentür ging auf, irgendwann an diesem zähen Nachmittag, und jemand kam herein. Ich sah gar nicht auf.
»Nora! Hallo! Datt ist aber schön, datt sie dich so schnell freigelassen haben . . .«
Ich spürte förmlich, wie mein Chef hinter dem Bestsellertisch zusammenzuckte. Die Verräterin war Denise! Ich musste ein ziemlich dämliches Gesicht machen, denn sie lachte herzlich.
»Ich hab die Adresse hier von deiner Mutter. Am Handy war immer besetzt, und da bin ich eben gekommen.« Ihr Lächeln war verblasst, und mir fiel auf, wie bleich ihr Gesicht war. Es sah beinahe krank aus zu dem hellblonden Haar.
»Denise . . . Ja, das ist echt eine Überraschung!«
»Ja, ne? Wir sind in Berlin geblieben, weil wir erst mal abwarten wollten, watt mit dir ist. Und dann hab ich heute Morgen zu Mama gesagt, als sie vom Flug nach Köln geredet hat, dass ich noch hierbleibe.«
»Schön, dass du mich besuchst. Es ist nur . . .« Was wollte sie denn – plaudern? Ein sekundenschneller Seitenblick zu Herrn Schubert zeigte mir, dass er nicht begeistert war. »Ich kann jetzt irgendwie
Weitere Kostenlose Bücher