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Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Titel: Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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dem die
Aufmerksamkeit, die ich errege, unangenehm ist. „Mach dich locker!“
    Ich vergesse, dass Josch nicht
weiß, was wirklich auf dem Spiel steht, als ich ihn anbrülle.
    „Wie soll die Scheiße mir denn
helfen!“
    Eigentlich brülle ich gar nicht ihn
an, sondern meine Eltern, meine Lehrer, Bettina, Herrn Berlucci, die alte Frau
Janssen. Und mich selbst. Aber Josch steht halt gerade da. Und dann kommen auch
noch meine Kumpel Jörg, Martin und Klaus. Besonders Klaus steht die Freude ins
Gesicht geschrieben, dass er ein neues Opfer gefunden hat. Josch duckt sich
unmerklich, als die Jungs einen Halbkreis um ihn bilden. Jörg hebt den Prospekt
auf.
    „London? Macht ihr da eure
Hochzeitsreise hin, oder was?“, stichelt er und wirft es Josch vor die Stirn.
Der dreht sich erschrocken weg, zieht schützend die Arme an den Körper. Martin
und Klaus grinsen, und schubsen ihn hin und her wie eine Flipperkugel. Und was
mache ich? Nichts. Ich drehe mich um und gehe weg.
     
    Zwei Stunden Deutsch bei Frau
Maler. Wir lesen Tonio Kröger . Wie alle anderen bin auch ich nicht ganz
bei der Sache, aber ich habe wenigstens meine Gründe.
    In der Pause kann ich Josch nicht
finden. Nicht dass ich ihn suche, aber er sitzt nicht an seinem üblichen Platz.
Bettina läuft in mein Blickfeld, kommt auf mich zu. Auch das noch! Sie
lächelt wie eine Schlange. Ich springe auf und laufe zügig, aber ohne Hast, in
Richtung Jungsklo.
    „Schon wieder?“, ruft Jörg mir
hinterher.
    Ich bleibe dort bis zum Ende der
Pause, gehe erst lange nach dem Klingeln in die Klasse. Die Jungs tuscheln und
machen Furzgeräusche in ihren Armbeugen. Ich spüre, dass Bettina meinen Blick
sucht, als ich mich setze und Herr Dongel seinen unerträglich lahmen
Physikunterricht abspult. Ich ignoriere sie, so gut ich kann, heuchle Interesse
am Unterschied zwischen Gleich- und Wechselstrom, und meine Stimmung wird noch
trüber.
    Am Ende der Stunde raffe ich eilig
mein Zeug zusammen und bin als Erster draußen. Ich bleibe versteckt, bis der
Lärm meiner Mitschüler sich entfernt hat. Als ich durch das Haupttor vom leeren
Schulhof auf die Straße trete, sind sie wieder da. Timm Becker und seine
Schergen. Sie lauern um die Ecke an der Turnhalle auf mich. Bevor ich weiß, wie
mir geschieht, trifft mich eine Faust im Gesicht und ich falle um wie ein Sack
Bohnen. Noch hat der Schmerz nicht eingesetzt, und wie ich da so liege, kann
ich nur daran denken, dass es gerade ein ganz anderes Geräusch gemacht hat, als
die Faustschläge im Kino. Alles Betrug. Und dann bearbeiten die Jungs meinen
Oberkörper mit Fußtritten. Nicht ins Gesicht – so ist’s recht! Von der anderen
Straßenseite brüllt jemand aus dem Fenster, dass er gleich die Polizei ruft,
wenn nicht sofort Schluss ist. Ein Hoch der sozialen Kontrolle. Die Jungs
lassen von mir ab. Timm beugt sich noch zu mir runter, fasst mich im Nacken.
    „Bis morgen dann, Nori.“
    Er zieht seine Hand weg, und mein
Hinterkopf knallt auf den Asphalt. Dann setzt der Schmerz ein. Ich bleibe eine
Weile in embryonaler Haltung liegen, ringe nach Luft, und taste ängstlich meine
Rippen ab. Doch der Schmerz war noch nicht das Schlimmste. Den jetzt kommt die
Scham. Ich komme schwerfällig auf die Beine. Nach Hause will ich nicht. Nicht
so. Auf halbem Weg zum Sportplatz, dicht bei den Lehrerparkplätzen, steht eine
große Fichte auf einer kleinen Wiese. Dahin schleppe ich mich, steige durch das
dichte Geäst, setze mich an den harzigen Baumstamm und ergebe mich meinen unaussprechlichen
Rachefantasien. Dann denke ich an Papa.
     
    „Was für ein Typ sind Sie als Erwachsener?“,
fragt Braun. „Schlagen Sie sich? Sind Sie gewalttätig?“
    „Haben Sie nicht zugehört?“, empört
sich Nori. „Ich wurde verprügelt!“
    „Das ist mir nicht entgangen“,
beschwichtigt Braun. „Aber was für ein Mann wird aus Nori Greth. Oder wurde?
Sie verstehen schon.“
    „Was für ein Mann“, wiederholt Nori
andächtig. „Was gibt es da zu erzählen. Ich lebe in einem Appartment in der
City. Nichts Besonderes. Bin ganz normaler Durchschnitt. Außer vielleicht mein
Faible für alte Möbel.“ Er lächelt. „Der Typ von der Stadt, der den Stromzähler
abliest, sagte mal, er fühle sich wie in einem Museum.“
    „Museum?“
    „Ich besitze viele alte Möbel.
Meine Küche ist aus Edelstahl. Gut zu pflegen. Schwarz-weißer Fußboden aus Linoleum.
Kunststoffmöbel. Sie wissen schon – diese Stühle, wo man erst mal gar nicht
weiß, wie man sich

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