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Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Titel: Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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ist
groß, eckig, und erinnert mich an eine monströse Mischung aus Datasette und
Mikrowelle. Aber das behalte ich für mich, weil mein Vater bestimmt von beidem
noch nie gehört hat. Ich bin gespannt, ob er es hinbekommen hat, Fernseher und
Videorekorder richtig zu verbinden. Müsste ich darauf wetten, die Quote stünde
sechzig zu vierzig gegen meinen Vater. Wir haben nur einen Film: Wargames mit Matthew Broderick. Der wird in 1986 als Ferris Bueller richtig Karriere
machen. Noch viel später wird er Godzilla aus New York vertreiben. Aber das
weiß außer mir noch keiner. Auf der Videokassette steht BASF. Eine Raubkopie
also. Mein Vater zieht sie umständlich aus der Hülle und geht vor dem Rekorder
in die Knie. Er weiß nicht, wo er die Kassette reinstecken soll. Das sehe ich
an seinem Blick. Warum fragt er mich nicht? Dann findet er doch den richtigen
Knopf. „Eject“, liest er und spricht es so, wie man es schreibt. Mein Vater
kann viel, aber kein Englisch. Er drückt den Knopf. Das Kassettenfach schwingt
mit einem mechanischen Zischen nach oben. Toploader sind schön. Sie passten
aber nicht in die später in Mode kommenden TV- und Phonomöbel mit den schmalen
Schubladenfächern für jedes Gerät und verschwinden wieder. Ich werde
ungeduldig. Mein Vater steckt die Kassette falsch herum in das Fach. Natürlich
geht es so nicht zu. Er legt den Kopf auf das Gehäuse des Rekorders und
betrachtet die Schließmechanik mit der konzentrierten Miene eines Uhrmachers. Dafür
muss man nun wirklich nicht studiert haben . Schon tut es mir leid, das gedacht
zu haben. Ich bin unfair. Warum sage ich ihm nicht, wo sein Irrtum liegt? Warum
fragt er mich nicht? Er weiß doch, dass ich mich mit so etwas besser auskenne.
Die Domäne meines Vaters ist der Garten. Ich habe einmal den Rasen gemäht.
Freiwillig. Mein Vater hat am gleichen Abend noch mal gemäht. Ich hatte die
Ränder an den Beeten nicht richtig geschnitten, sagte er meiner Mutter. Nicht
mir. Meine Vorstellung von einem Vater-Sohn-Verhältnis stammt aus dem Fernsehen.
Es muss ja nicht gleich sein wie bei Wickie . Dessen Vater Halvar ist
ohne seinen Sohn ja völlig aufgeschmissen. Der hätte die Kassette bestimmt mit
seiner riesigen Streitaxt in den Rekorder geprügelt. Ich mag den Vater aus Fury .
Jim Newton, den Rancher. Er legt dem kleinen Joey die Hand auf die Schulter und
erklärt ihm die Welt. Streng, aber gerecht. Oder Werner aus Ich heirate eine
Familie . Ein Witzbold, der alle Schwierigkeiten des Alltags mit Charme und
Ironie zu lösen vermag. Immer ein offenes Ohr für seine Kinder, wenn er in
seinem Studio im Keller seiner Arbeit als Grafik-Designer nachgeht. Ach, der
Werner. Eine interessante Gemeinsamkeit von Jim und Werner, die ja sonst durch
Jahrzehnte, die Erfindung des Farbfernsehens und den Nord-Atlantik getrennt
sind: Beide sind Adoptivväter. Geben die sich vielleicht mehr Mühe? Die Mühen
meines Vaters werden hier und heute nicht von Erfolg gekrönt.
    „Ich rufe den Kurt“, sagt er und
verlässt das Wohnzimmer. Kurt hat uns den Rekorder verkauft. Den kleinen
Elektroladen wird es auch in Zukunft noch geben, weil man hier im Ort eben bei
Kurt kauft. Ich höre meinen Vater ins Telefon sprechen. Dann quietscht die
Hoftür, und der Rasenmäher springt an. Da kommt mir ein Gedanke. Das Rasenmähen
ist für meinen Vater mehr ist als das Schneiden von Gras. Es ist sein Refugium.
Sein Rückzugsort in einer Welt, die ihm zusehends entgleitet, immer
komplizierter wird. Im Garten zählt Halm lang oder kurz. Klare Regeln.
Struktur. Das Röhren des Motormähers sperrt alle anderen Geräusche aus wie ein
Bunker aus Lärm. Darin hockt mein Vater und hat genau so viel Angst vor dem
Leben wie ich. Mir wird ganz warm, und in meinem Bauch macht sich ein
unbekanntes, gutes Gefühl breit. Es ist, als hätte ich nach sehr langer Zeit
wieder gegessen. Ich drehe die Kassette um und gehe die Treppe rauf in mein
Zimmer.
     
    Ich durchsuche den Schrank meines
Bruders nach einem geeigneten Outfit für die Fete. Was nicht hässlich ist,
passt mir nicht. Meine Mutter ruft mich zum Abendessen. Mein Vater ist nicht
da. Ich stampfe gerade meine Kartoffeln mit Soße, als er nach Hause kommt.
Auffällig lange braucht er, um die Tür aufzuschließen. Ich ahne Schlimmes und
meine Mutter auch. Er schlägt uns nicht. Er schreit uns nicht an. Eigentlich
ist er der sanftmütigste Betrunkene, den ich kenne. Es ist nur so, das er dann
noch weiter entfernt von uns ist als sonst. Wenn meine

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