Makers
die er Mitte der 1960er-Jahre für eine Scheibenwischerfabrik brauchte. Es war eine gigantische Unternehmung und, wie sich herausstellte, keine gute Entscheidung.
Die Szenen, in denen Kearns seine Fabrik aufbaut, sprechen für sich. Als Erstes mietet er 9000 Quadratmeter Gewerbefläche an, ein einziger großer, offener Bereich, in dem nur einzelne Pfeiler zwischen den geziegelten Außenwänden und Laderampen standen. Dann musste dieser Raum mit Fertigungsanlagen gefüllt werden. Männer mit Schutzhelmen tragen Stahlregale umher und fahren Gabelstapler mit Rollenlagern für Förderbänder – ein typischer Anblick für das Industriezeitalter. Am Ende findet ein Treffen mit Motorola statt, um über den Kauf von Transistoren zu verhandeln, für den die Finanzabteilung der Firma einen Kredit genehmigen muss. Ganz schön beängstigend für einen Kleinunternehmer.
Aber es kommt noch schlimmer: Kurz bevor Kearns seine Fabrik in Betrieb nehmen kann, zieht Ford sich ohne Vorwarnung aus dem Vertrag zurück. Kearns’ Telefonanrufe werden nicht beantwortet, und erhat keine Ahnung, warum. Ohne Aussicht auf Umsätze muss die Fabrik schließen, bevor darin ein einziger Scheibenwischer produziert wurde.
18 Monate später geht Kearns bei Regen zu seinem Auto zurück und sieht drei brandneue Ford Mustangs um die Ecke biegen auf dem Weg zur großen Rollout-Party. Die Scheibenwischer wischen, machen eine Pause, und wischen wieder. Man hat seine geniale Idee gestohlen. Kearns ist ruiniert und wird kurz darauf wahnsinnig, was im dramatischen Rest des Films erzählt wird. (In Wirklichkeit führte Ford wenige Jahre später Intervallscheibenwischer ein, als im Film dargestellt, als Sonderausstattung in der Mercury-Serie von 1969. 29 Aber Kearns durchlebte leider tatsächlich Jahre der Verzweiflung, Depression und Zusammenbrüche.)
Am Ende verklagte Kearns Ford und Chrysler wegen Patentverletzung, und nach einem jahrelangen Rechtsstreit und zehn Millionen Dollar Rechtskosten wurden ihm fast 30 Millionen Dollar zugesprochen. Aber er bestand darauf, dass es in seinem Kampf gegen Ford nicht ums Geld gegangen sei, sondern ums Prinzip. In seinem Nachruf im Jahr 2005 stand, dass »er oft sagte, er habe nur eine Chance haben wollen, mit seinen sechs Kindern eine Fabrik zu leiten und seine Wischermotoren herzustellen«. 30 Diese Chance bekam er nie. Es war damals einfach zu schwierig.
Heute würde Kearns die Sache anders angehen. Wie früher auch hätte er seinen ersten Prototyp im Keller angefertigt. Aber statt eine Fabrik zu bauen, hätte er die Elektronik von einer Firma fabben und das Gehäuse von einer anderen herstellen lassen. Dann hätte er einen Hersteller von Scheibenwischern in Guangdong oder Ohio oder irgendwo anders dafür bezahlt, sein Produkt mit diesen Einzelteilen herzustellen. Wahrscheinlich wären sie direkt an die Kunden, die Automobilhersteller, ausgeliefert worden, und der ganze Vorgang hätte nur Monate gedauert, keine Jahre – zu schnell, als dass die großen Firmen ihm hätten zuvorkommen können. Keine Fabrik, kein Rechtsstreit, kein Wahnsinn. Er hätte sich seinen Traum erfüllen und aus seiner Erfindung ein Unternehmen machen können, ohne dafür gegen Windmühlen kämpfen zu müssen.
Flash of Genius – die nächste Generation
Heute muss man sich eine solche Geschichte nicht mehr nur vorstellen, sondern kann selbst Zeuge von etwas ganz Ähnlichem werden. Man muss dazu nur nach Chandler in Arizona fahren zur Local-Motors-Fabrik in einem umgebauten Lagerhaus für Wohnmobile etwa 20 Minuten südlich von Phoenix. Topfpflanzen, die sich um die Säulen ranken, lockern den Innenraum etwas auf, ein gestalterisches Detail, das von einer Ferrari-Fabrik abgeschaut ist (auch wenn die Pflanzen bei der künstlichen Beleuchtung nur schwer am Leben zu halten sind). Aber ansonsten sieht es dort eher aus wie in einem Autohaus als in einer Fabrik. Vor allem gibt es hier keine Fertigungslinien. Stattdessen wird neben farblich abgestimmten Werkzeugschränken sehr liebevoll an den einzelnen Autos gearbeitet.
Hier werden die ersten Open-Source-Autos der Welt hergestellt. Das erste Modell ist ein Baja Racer für 75000 Dollar mit dem Namen Rally Fighter, dessen runde Formen an einen Kampfjet erinnern. Die Anlage in Chandler ist nur die erste von vielen »Mikrofabriken« mit jeweils 40 Mitarbeitern, die die Firma in ganz Amerika plant. In jeder Fabrik werden Autos hergestellt, die von der Community entwickelt wurden, die auch in der
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