Makers
endlich in die Läden kommt, ist sie wahrscheinlich bis zur Unkenntlichkeit verfeinert und angepasst worden.« 47
Peter Dering, ein Bauingenieur und damals werdender Vater, hatte eine Idee für ein Gerät namens Capture, mit dem man ganz einfach einen Fotoapparat an seiner Kleidung oder einem Rucksack festklemmen konnte. Auch er hätte seine Idee einem Hersteller für Fotozubehör unterbreiten können. Stattdessen beschloss er, es allein durchzuziehen. Sein Projekt bei Kickstarter brachte ihm von mehr als 5000 Unterstützern 365000 Dollar ein. Er schrieb, dies »veränderte mein Leben. Am 2. Mai 2011, als ich Capture ins Leben rief, war ich ein einzelner Mann mit einem Traum. 75 unglaubliche Tage später war ich ein Vater mit einer eigenen Firma.«
Eine Open-Source-Taschenlampe brachte es auf 260000 Dollar. Ein Füllfederhalter aus rostfreiem Stahl erzielte 282000 Dollar, eine Campinghängematte 209000 Dollar. Und bei Hunderten mehr Projekten war es ähnlich. (Ich selbst habe alles Mögliche unterstützt, von einer dreisaitigen Gitarre für Kinder bis zur Desktop-CNC-Maschine.) Kickstarter ist unter Erfindern inzwischen die beliebteste Methode zur Geldbeschaffung überhaupt, oder zumindest bei denen, die ein Video und eine Beschreibung ihrer Vision zusammenstellen können, die Menschen dazu bringen, sie finanziell zu unterstützen.
Die Bank wider Willen
Kickstarters Anfänge liegen weit vor seiner Gründung im Jahr 2009. Perry Chen lebte im Jahr 2002 im French Quarter von New Orleans, arbeitete an seiner eigenen elektronischen Musik und träumte davon, eine große DJ-Show mit den österreichischen DJs Kruder und Dorfmeister zu veranstalten. Das Problem war nur, dass ihn das 15000 Dollar im Voraus gekostet hätte. Heute sind Kruder und Dorfmeister in der DJ-Szene zwar Stars, aber damals waren sie es noch nicht. Was war, wenn niemand kam? Chen wäre total ruiniert.
Wegen des Risikos beschloss er, das Konzert nicht zu veranstalten, aber er hörte nicht auf, sich mit dem Problem zu beschäftigen. Alleshalbwegs Neue ist riskant, aber es gibt nur wenige Menschen, die ein größeres finanzielles Risiko tragen können. Was wäre, wenn man die Leute einfach im Voraus bezahlen lassen würde (keine wirklich radikale Idee; immerhin funktionieren die meisten Konzerte heute über Vorverkäufe), man die Show aber vor allem nicht veranstalten müsste, wenn nicht genug Karten verkauft wurden? Auf diese Weise müsste der Organisator gar kein Geld ausgeben, und die Bands würden nur dort auftreten, wo man sie auch wirklich haben wollte.
Wenige Jahre später war Chen nach Brooklyn gezogen und bediente in einem Szenelokal namens »Diner«. Dort kam er mit Yancey Strickler ins Gespräch, einem Stammgast, und erzählte ihm von seiner Idee. Vor der Verbreitung des Internets war es zwar theoretisch clever, Bedarf aufzuspüren und Projekte vorzufinanzieren, doch es war praktisch unmöglich. Aber mit dem Internet war es einen Versuch wert. Strickler war begeistert (Chen erzählte Adler, es sei »die beste Idee gewesen, die ihm ein Kellner in jenem Jahr unterbreitete«), und die beiden beschlossen, eine Website einzurichten und es auszuprobieren.
Heute ist Kickstarter eine mehrere Millionen Dollar schwere Internetfirma, die an ihren Indie-Wurzeln festhält, so gut sie kann. Das Firmengebäude unter der Adresse 155 Rivington Street in der Lower East Side von Manhattan macht optisch nicht viel her. Auf dem einzigen Schild an der Frontseite steht in goldenen Buchstaben UNDERWEAR (ein ehemaliger Mieter). Der Eingangsbereich erinnert an ein Gruppenhaus.
Chen und Strickler ist der Aufstieg von Kickstarter zum Finanzierungsmotor für materielle Güter noch immer ein wenig unangenehm. Ursprünglich hatten sie Kickstarter vor allem für Musik- und Filmprojekte gedacht, denen die Plattenfirmen und Hollywood keine Chance gaben, sowie für Kunst, Theater, Comicbücher und Mode. Hauptziel war es, Kreativität zu finanzieren, aber immer mehr Kreative interessierten sich für die Herstellung materieller Güter. Es war schwer, da eine Grenze zu ziehen, und daher ließen sie es bleiben. Ein 25-köpfiges Team sichtet Projekte, bevor sie veröffentlicht werden, aber die Projekte werden vor allem aufgrund der Qualität der Beschreibungen ausgewählt, und weniger aufgrund des künstlerischen Wertes. Die größten Projekte bei Kickstarter sind aber wohl oder übel Konsumgüter. Die Plattform befriedigt einfach einenBedarf, der die ganze Zeit schon
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