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Makroleben

Makroleben

Titel: Makroleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Zebrowski
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geistige Gesundheit untersucht wurde, um eine Lizenz zu erhalten? Wieviel von der gesammelten Weisheit der Menschheit war notwendig, um ihm beizubringen, mit Mord zu leben? Der Druck der Frage zwang ihn, Alternativen in Erwägung zu ziehen. Er hatte nur einen kleinen Teil des Menschenlebens gelebt, des Lebens, das zu einer bestimmten Zeit nur eines sein kann, das sich nach außen bewegt, um alle Dinge zu erfassen und dabei scheitert, die Unendlichkeit sucht und auf die Endlichkeit zurückfällt. Der Bewußtseinsmodus, den die Verbindung verlieh, brachte auch Macht über die Grenzen des Ich, hatte Wheeler ihm einmal gesagt; durch ihn war jeder Makroweltler zur gleichen Zeit jedes menschliche Wesen, das jemals Gefühle, Gedanken oder Entdeckungen aufgezeichnet hatte. Man konnte niemals alle Informationen, die in den Erinnerungsbänken gespeichert waren, zur gleichen Zeit mit den Gedanken erfassen, aber sie standen nach Wunsch zur Verfügung und hielten die treue Verbindung mit der Vergangenheit aufrecht. In gewisser Beziehung war das nicht anders als biologische Erinnerung, die ebenfalls stückweise abgerufen werden mußte. Die Verbindung bildete wie individuelle Erinnerung einen deutlichen Hintergrund, der im stillen das Identitätsgefühl änderte. Die Verbindung machte aus dem einzelnen einen Vollbürger, einen kompletten Teilnehmer. Die kritische Benutzung der Verbindung war das Ziel der gesamten Erziehung. Ich war so lange allein, daß ich nicht mehr ich selbst sein möchte. Der Gedanke an Lea verkrampfte ihm den Magen. Sein Körper bewegte sich bei der Erinnerung an den Tod, zuckte, als er sich selbst sah, wie er die Körper der Reiter zerschmetterte, mit Ausnahme von Jerad gesichtslos, alle für immer tot.
    Er hatte seine Kleider, die von Lea angefertigt worden waren, in die Recycling-Anlage geworfen, in der nichts verschwendet wurde. Hände hatten die Kleider mit einer Knochennadel und einem Lederfaden zusammengenäht, Hände, die jetzt unter der Erde lagen. Die Kleider waren ihm so erbärmlich vorgekommen, wie sie da auf dem Fußboden des Badezimmers gelegen hatten.
    Er stand vom Bett auf und ging zum Fenster. Er konnte vom ersten Stock aus die Menschen sehen, die zwischen den Bäumen spazierengingen. Die weit auseinanderstehenden Säulen standen wie Wachen über der Szene, hundert Stockwerke hohe Pfeiler, die die Ebenen auseinanderhielten, so weit das Auge reichte. Unregelmäßig geformte Tageslichtschirme bedeckten den Himmel, die wie Wolken aus hellem weißen Licht aussahen. Der blaue Himmel selbst, die Unterseite der nächsten Ebene, schien sehr nahe, wenn man hinaufsah, aber die Lichtschirme sahen aus wie Eingänge zu einem unendlichen weißen Weltraum. All das, dachte er, ist ebenso das Werk menschlicher Hände, deren Finger und Daumen durch die Träume des Geistes mehr Macht erhalten haben.
    Er erinnerte sich daran, daß er sich selbst versprochen hatte, nie wieder in das Apartment zurückzukehren, Margaret nie wiederzusehen. Anulka, vielleicht hätte es dir hier gefallen. Ich hätte dich mitgenommen. Er wußte, daß sie lange gebraucht hätte, um sich umzugewöhnen, zu lernen, und bis dahin wären sie vielleicht nicht mehr zusammengewesen. Aber er dachte darüber nach, wie es für sie gewesen wäre, und nur für sie. Es wäre besser als der Tod gewesen.
    Plötzlich erinnerte er sich an seinen Traum. Er war mit Jerad auf dem Gletscher. Sie hatten sich mit den Händen die Kehlen umklammert und rollten herab auf die Kante zu. Der Himmel sah aus, als hätte ihn jemand einen Ton zu dunkelblau angemalt. Die Berge sahen zu scharfkantig aus, als sähe er sie durch eine verzerrende Linse. Jerads Hals war heiß in seinen Händen, und das Blut klopfte verzweifelt im Kopf des Dreckweltlers. John drückte fester zu, und Jerad umklammerte ihn. Immer wieder drehten sie sich auf dem festgebackenen Eis, und noch immer kam der schnelle Sturz in eine Gletscherspalte nicht. Ich wollte ihn umbringen. Ich hätte ihn auf dem Gletscher liegenlassen, damit er dort stirbt. Ich wollte ihn umbringen, aber ich wollte, daß er mich mitnimmt. Er dachte an seinen Stiefel und Jerads Kopf.
    „Hallo.“
    John drehte sich beim Klang von Margarets Stimme herum. Sie stand mit beiden Händen in den Taschen ihres kurzen Overalls in der Tür des Schlafzimmers. Er kämpfte gegen seine eigene Reaktion, aber er freute sich darüber, sie zu sehen.
    „Früher oder später wirst du mit jemandem sprechen müssen“, sagte sie.
    „Ich wollte

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