Mala Vita
Spekulationen in der Presse können Ihnen nicht entgangen sein, oder?«
»Früher hatten die Menschen die Folterbank, ein paar Jahrhunderte später wurde sie durch die Presse ersetzt, und jetzt nerven Sie mich mit rhetorischen Fragen!«
D’Aventura lächelte verständnisvoll. »Ich gehe davon aus, dass Sie sich kooperativ zeigen und mich bei meiner Arbeit unterstützen. Alles deutet darauf hin, dass Ihr Bruder in Premeno ausschließlich für die Mafia gearbeitet hat. Jetzt wüssten wir gerne, was er in Palermo wollte.«
Cardone schnellte vom Stuhl hoch und stützte sich mit beiden Armen auf die Tischplatte. »Sie nerven mich mit Ihrer Fragerei! Ich dachte bislang, eine lebhafte Phantasie sei nur uns Künstlern vorbehalten. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass Enrico Consigliere der Paten gewesen sein soll?«
»Der Geheimdienst hat ihn zwei Jahre lang beobachtet«, entgegnete d’Aventura ruhig. »Er war der persönliche Finanz- und Rechtsberater der Signori Santorini und Massimo. Wussten Sie das nicht?«
Cardones Knie gaben nach, und er sackte zurück auf den Stuhl. »In den Zeitungen stand so etwas, aber es wurden keine Namen genannt. Weshalb fragen Sie mich und nicht diese Männer? Verhaften Sie sie doch!«
D’Aventura nippte an seinem Espresso, und Cardone schien es, als sei sein Gegenüber unangenehm berührt. »Sie haben überzeugende Ideen, Signore!«, erwiderte der Comandante knurrend.
»Ist es eigentlich erlaubt, einen Toten zu diffamieren?«
D’Aventura fixierte Cardone mit einem kritischen Blick. »Wollen Sie etwa den Unschuldsengel spielen? Ich wette, Sie wissen verdammt viel über die Arbeit und die Klienten Ihres Bruders. Erzählen Sie mir doch etwas über seine Schwarzgeldkonten.«
Das Blut wich aus Cardones Gesicht, und seine Lippen bebten. »Was stellen Sie sich eigentlich vor? Selbst wenn mein Bruder Schwarzgeld gehabt hat, hätte mich das nicht im Geringsten interessiert! Und wenn er Konten im Ausland hatte, würde ich das Ihnen nicht auf die Nase binden. Also verschonen Sie mich mit diesem Quatsch! Stellen Sie diese Fragen gefälligst seinen Partnern! Wenn jemand darüber etwas weiß, dann die beiden.«
»Interessant!« D’Aventura schlug die Beine übereinander und wirkte plötzlich völlig entspannt. »Kennen Sie den Ausspruch: Der Kopf produziert Gitterstäbe oder Südseeinseln? Mich würde interessieren, wie sich das bei Ihnen verhält.«
Unter den gesenkten Augenlidern hervor beobachtete er Cardones zunehmende Nervosität. Der bemühte sich, seine Hände still zu halten, und suchte mit Blicken bei seinem Freund Hilfe.
Der Comandante lächelte wissend in sich hinein. »Täusche ich mich, oder sind Sie so ein gelangweilter Typ, der in Anwesenheit Fremder stets so eine Art leise Verachtung zeigt?«
»Nur wenn Fremde aufdringlich werden.«
»Na gut … Sie haben die Wahl. Sie können mir bei einem gemütlichen Plausch ein wenig über die Machenschaften Ihres Bruders erzählen, ich kann Sie aber gleich in die Questura mitnehmen. Ganz wie Sie möchten! Das ist dann nicht ganz so gemütlich wie hier in dem Café. Und ich würde mir natürlich sehr viel Zeit für Sie nehmen.«
Cardone erschrak. »Das dürfen Sie gar nicht.«
»Oh doch«, entgegnete d’Aventura. »Bei einem begründeten Verdacht darf ich alles.«
»Beamte sind unbestechlich«, grummelte Carlo dazwischen. »Sie sagen immer die Wahrheit. Sogar für Geld.«
»Und Sie, mein Lieber, Sie sind mir suspekt«, zischte d’Aventura durch die Zähne, schaute aber Cardone in die Augen, der den Blick kalt erwiderte.
»Sich von einem ungerechten Verdacht reinigen zu wollen ist entweder überflüssig oder vergeblich«, antwortete Cardone. »Schon deshalb wäre es überflüssig, mich vorzuladen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Versteht er nicht«, mischte sich Carlo wieder ein und lachte. »Er ist ein Carabiniere! Du musst wissen, Roberto, wer Verdacht erregt oder sich in verdächtiger Weise verdächtig macht, wird verdächtigt, ein Verdächtiger zu sein.«
»Ihr zwei Komiker seid nicht ganz dicht«, erwiderte d’Aventura verärgert. »Signor Cardone, ich gebe Ihnen jetzt eine Kostprobe, was Sie erwarten könnte: Ihr Bruder war ein ganz gerissenes Kerlchen und hat verdammt viel Geld beiseitegeschafft. Ein Haufen Leute sind hinter dem Geld her, vorwiegend Menschen ohne Humor, wenn Sie wissen, was ich meine. Dann gibt es noch andere, die glauben, dass Sie gefährlich werden könnten. Die Sorte hat noch weniger
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