Mala Vita
Humor.«
»Sind Sie verrückt?«, presste Cardone hervor.
»Nein. Aber Sie scheinen naiv zu sein. Nutzen Sie die einzige Chance, die Sie haben! Reden Sie mit mir!«
Cardone seufzte. »Also gut! Zwei Tage nach der Fernsehsendung war ich in Enricos Kanzlei«, begann er leise. »Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Carabinieri hier in Bologna wollten mir nichts sagen, die Beamten der Questura in Palermo haben mich abgewimmelt. Da dachte ich, Senna und Pantrini, die Partner in Premeno, könnten mir helfen.« Er schwieg plötzlich. Wie entrückt saß er da, als blicke er sich selbst in die Seele.
»Und?«, bohrte d’Aventura weiter. »Konnten sie?«
Cardone blickte d’Aventura wie ferngesteuert an. »Ich habe zuerst nur Senna angetroffen«, antwortete er, »und ihn natürlich gefragt, was mein Bruder in Palermo wollte. Aber er versuchte, mich genauso abzuwimmeln wie alle anderen.«
D’Aventura kniff die Augen zusammen. »Sie sehen mir nicht danach aus, als wenn man Sie so einfach wegschicken könnte. Was war los in Premeno?«
»Sie haben recht«, murmelte Cardone. »Ich war wütend.« Plötzlich fuhr er den Comandante an. »Senna hat mich behandelt wie einen Idioten, verstehen Sie? Er redete mit mir von oben herab, als seien meine Fragen infantil und weltfremd. Dabei war nicht zu übersehen, dass etwas nicht stimmte. Die Kanzlei soll geschlossen werden, sagte er. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Außerdem schob er andauernd Dokumente in den Schredder.«
»Dokumente?«
»Alles Mögliche. Kontoauszüge, Listen, Briefe. Ich habe mich noch gewundert, weshalb er mir ein herumliegendes Blatt aus der Hand gerissen und sofort in den Papiervernichter gestopft hat. Es standen zehn oder zwölf Namen drauf, und ich glaube, es waren Zahlen dahinter vermerkt. Ich habe ihn natürlich gefragt, was das Ganze soll …«
»Was?«, fuhr d’Aventura auf. »Sagen Sie das noch mal!«
»Er hat Dokumente vernichtet.«
»Ja, das haben Sie schon gesagt. Ich meine die Namen! Was für Namen, was für Zahlen waren das? Kontonummern? Telefonnummern? Geldbeträge? Können Sie sich erinnern?«
Cardone stöhnte unwillig. »Vornamen und Kontonummern, soweit ich mich erinnere. Ich habe das Blatt höchstens zwei Sekunden in der Hand gehabt.«
»Was für Vornamen?«
»Carlo, Romano, Emilio, Bettino … Es sah aus wie eine Liste möglicher Taufnamen für einen männlichen Nachwuchs. Die Zahlen waren sieben- oder achtstellig, ich habe nicht so genau drauf gesehen.«
»Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«
Cardone dachte nach. »Ja. Kurz vor meiner Ankunft in Premeno begegnete mir ein Lastwagen. Von einem Unternehmen, das professionell Akten vernichtet.«
D’Aventura schloss die Augen und stützte seinen Kopf in die Hände. »Sind Sie sicher?«
Carlo blickte seinen Freund, der an seiner Unterlippe kaute, besorgt an. Er gab ihm unterm Tisch einen warnenden Fußtritt.
Cardone schreckte zusammen und nickte. »Pantrini, den ich später getroffen habe, sagte mir, sie hätten altes Zeug entsorgt. Was sollte ich tun? Mich gehen diese Dinge nichts an. Im Übrigen waren die Büros sowieso fast völlig geräumt.«
»Weshalb haben Sie nicht die Carabinieri informiert?«, fauchte d’Aventura ungehalten. »Da müssen doch alle Alarmglocken bei Ihnen geläutet haben!«
Wieder spürte Cardone einen Tritt unterm Tisch, und er sah Carlos warnenden Blick. Er wandte sich an d’Aventura und sagte: »Es gab absolut keinen Grund, das zu tun. Und ab jetzt können Sie mich mal! So, wie Sie fragen, kommt es mir vor, als stamme ich aus einem Verbrechernest, sei vielleicht sogar selber einer von diesen Mafiosi. Ich lasse mir von niemandem das Andenken an Enrico zerstören. Auch nicht von Ihnen!«
D’Aventura überging Cardones emotionalen Ausbruch. »Wann haben Sie Ihren Bruder das letzte Mal gesehen?«
Carlo mischte sich wieder ins Gespräch ein und sagte sarkastisch: »Vor zwölf Tagen im Fernsehen.«
»Hören Sie … Sie Dichter!«, zischte d’Aventura böse und kniff die Augen zusammen. »Könnten Sie liebenswürdigerweise die Klappe halten?« Er wandte sich wieder an Cardone. »Also?«
»Lebend?«, fragte Cardone und blickte den Polizeikommandanten kalt an.
»Ja.«
»Vor mehr als zwei Jahren. Wir hatten ein schwieriges Verhältnis. Und wenn Sie jetzt fragen wollen, ob mein Bruder mich über seine Geschäfte oder seine Mandanten informiert hat, dann können Sie sich das sparen. Darüber hat er mit mir nie gesprochen, und ich
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