Mala Vita
trinken würden. »Sie können die beiden nicht verfehlen«, gab sie ihm gegen ein kleines Trinkgeld Auskunft, während sie eine verschwörerische Miene aufsetzte. »Meistens sitzen die zwei im Café ›Giubilo‹.«
D’Aventura warf noch einmal einen Blick auf das Foto von Roberto Cardone, das er sich aus dem Internet hatte ausdrucken lassen, um sich das Gesicht einzuprägen.
In dem Moment, als der Kellner Roberto und Carlo zwei Espressi brachte, trat ein bulliger Mann im zerknitterten Leinenanzug und mit einem großen Pflaster am Kopf an ihren Tisch und setzte sich ihnen gegenüber. Wortlos verglich er ein Foto mit den Gesichtern der beiden Freunde und steckte es wieder in die Tasche. Sein Blick fiel auf den Reisekoffer, der neben Cardones Stuhl stand.
»
Buongiorno, Signori!
Ich störe Sie nur ungern. Mein Name ist Livio d’Aventura, Comandante der Carabinieri in Palermo. Sie gestatten, dass ich mich zu Ihnen setze?«
»Bleibe gelassen, mein Herz! Schon größere Frechheit ertrugest du«, zitierte Carlo aus Homers »Odysseus«. »Wollen Sie länger bleiben?«
»Sie sind der Poet Carlo Alberti, wenn ich mich nicht irre«, erwiderte d’Aventura süffisant. »Und das …« Er deutete auf Cardone. »… ist sicher Ihr Dichterfreund Roberto Cardone.«
»Wie recht Sie haben, Signore! Und Sie werden es mir nachsehen, dass wir als Poeten und Dichter keine Ungereimtheiten vertragen«, konterte Cardone ungehalten. »Vor allem, wenn sich Reporter als Carabinieri ausgeben.«
D’Aventura griff in die Innentasche und zeigte Cardone seinen Ausweis. »Zufrieden?«
»Auf Ihresgleichen bin ich auch nicht gut zu sprechen. Was wollen Sie?«
»Sie sind ziemlich aufgebracht, Signor Cardone. Kann ich auch verstehen, nach dem, was Ihrem Bruder passiert ist. Übrigens, mein Beileid.«
»Danke, dass Sie extra aus Palermo gekommen sind, um mir mitzuteilen, dass mein Bruder mit behördlicher Anordnung eingeäschert wurde!«
D’Aventuras Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ich verstehe Sie nicht ganz …«
Cardone griff in die Tasche seines Jacketts, faltete wütend ein Blatt Papier auseinander und reichte es dem Comandante über den Tisch.
»Was ist das?«, fragte d’Aventura widerstrebend.
»Lesen bildet ungemein«, erwiderte Cardone sarkastisch. »Sie müssen die Buchstaben nur in der richtigen Reihenfolge lesen!«
D’Aventura schüttelte den Kopf. »Sie sind eine merkwürdige Type, wissen Sie das?« Er warf einen Blick auf die Rechnung der Stadt Palermo. Betroffen schloss er die Augen.
»Dio mio«,
sagte er leise, legte die Mitteilung vor sich auf den Tisch und stieß hörbar die Luft aus. »Hören Sie, Cardone! Das tut mir wahnsinnig leid. Glauben Sie mir!« Er blickte seinem Gegenüber offen in die Augen. »Das ist wirklich furchtbar.«
»Ja«, sagte Cardone, »das ist es. Haben Sie eine Ahnung, wie ich mich fühle? Erst wird mein Bruder umgebracht, dann von den Medien durch den Dreck gezogen, im Anschluss von Carabinieri beschlagnahmt. Danach schafft man den Toten ins Leichenschauhaus und steckt ihn in eine Kühlkammer, und zu guter Letzt wird er behördlich verbrannt. In welchem Staat lebe ich eigentlich? Können Sie mir das verraten?«
»Es tut mir leid«, wiederholte d’Aventura. »Sie sind zu Recht empört. Aber deshalb bin ich nicht hier. Ich wollte mich mit Ihnen über Ihren Bruder unterhalten.«
»Nur zu!«, fuhr Cardone aufgebracht hoch. »Haben Sie noch ein paar Pietätlosigkeiten auf Lager? Ich bin ganz Ohr.«
D’Aventura war offenkundig bemüht, seinen Gesprächspartner nicht weiter zu reizen. »Jetzt beruhigen Sie sich! Ich bin nicht dafür verantwortlich, wenn ein Sachbearbeiter in irgendeiner Behörde Mist baut. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie das Rathaus in Palermo stürmen und dem Deppen eine reinhauen.«
Offenbar hatte d’Aventura die richtige Tonlage getroffen, denn Cardone entspannte sich.
»Wir kennen zwar den Mörder, aber nicht das Motiv«, fuhr der Comandante fort und steckte sich eine Zigarette an.
»Haben Sie ihn gefasst?«
D’Aventura schüttelte bedauernd den Kopf. »Wir suchen ihn noch. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn haben.« Wieder warf er einen Blick auf den Reisekoffer. »Ihrer?«
Cardone zuckte mit den Achseln. Statt zu antworten, fragte er: »Was ist das für ein Schwein, das Enrico das angetan hat?«
»Der Mann heißt Bruno Sforzano. Er gehört der Mafia an. Klingelt da etwas bei Ihnen?«
»Weshalb sollte etwas bei mir klingeln?«, antwortete
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