Mala Vita
auflockernde Bemerkung. Das Finanzamt zu betrügen ist die populärste Art aller Diebstähle. Die Details finden Sie ab Seite vierunddreißig in dem Ihnen vorliegenden Dossier. Im Zusammenhang mit Know-how-Transfers und Hilfeleistungen beim Aufbau von Rüstungsfirmen im Ausland liefen immense Gelder über Litauen, Kanada und Luxemburg auf Offshore-Konten.« Der SISDE -Stratege blickte von seinem Papier auf und sah lauter beifällige Mienen. »An jedes der betreffenden Länder musste ein Rechtshilfegesuch gestellt werden, wobei sich immer wieder die gleiche Frage stellte: Wo sind die Straftaten, insbesondere die späteren Geldwäscheaktionen überhaupt begangen worden. Erschwert wurden die Ermittlungen durch Hunderte von sogenannten Querüberweisungen auf verschiedene Offshore-Banken, so dass Tatbestände nicht oder kaum schlüssig untermauert werden konnten. Insofern standen unsere Staatsanwälte häufig auf verlorenem Posten. Hat jemand dazu eine Frage?«
Die Anwesenden verneinten, während Oberst Pallardo mit einer Geste den Vortragenden aufforderte fortzufahren.
»Überdies flossen gewaltige Erträge aus Drogengeschäften, die maßgeblich von Romano Grasso und Licio Massimo organisiert und koordiniert werden, in das System ein. So wurden nach unserer Schätzung zwischen 2001 und 2005 etwas mehr als fünfhundertdreißig Millionen Euro zwischen Liechtensteiner Trusts, Schweizer und Luxemburger Banken sowie Offshore-Firmen in Panama und auf Vanuatu bewegt. Inzwischen haben wir nachvollziehen können, dass etwa achtundvierzig Millionen Euro an namhafte Politiker im Verteidigungsministerium, an Parteigenossen und deren Mittelsmänner sowie an leitende Manager der Gruppo Agosto als Gegenleistung weitergereicht wurden, sozusagen als Dank dafür, dass Agosto in den letzten zehn Jahren Subventionen in Höhe von einer Milliarde Euro kassieren konnte. Grundlage für die Zuwendungen waren fiktive Investitionskostenstudien, vordatierte Provisionserträge und künstliche Zinskosten. Zu Verhaftungen kam es aus bekannten Gründen nicht. Einige wesentliche Straftatbestände wurden vom Ministerpräsidenten außer Kraft gesetzt oder wegen der Immunität hoher Staatsmänner für die Dauer der Amtszeit verhindert.«
»Ja, ja …«, unterbrach Pallardo den Vortrag, »das wissen wir alles schon.«
Rendolo grinste. »Ich dachte, zur Auffrischung der Historie unserer Aktivitäten und der Sachverhalte …«
»Machen Sie weiter!«, murmelte Pallardo ungnädig.
Der Oberst verzog die Mundwinkel, als amüsiere ihn sein eigener Vortrag. »Erst als die Gruppo Agosto durch das Zusammenwirken schwerer Finanzfehler und gewaltiger Umsatzeinbrüche im Bereich konventioneller Waffensysteme in die Pleite zu rasen schien, kam Bewegung in die Sache. Die Gruppo Agosto musste gerettet werden, zumal einige Regierungsmitglieder Gesellschafter des Waffenkonzerns sind.«
»Aber klar doch!«, rief Brenda mit triefender Ironie in der Stimme dazwischen. »Da erschießt man einfach mal schnell den Hauptbelastungszeugen Gecco mitsamt seiner Frau, weil er vor dem Untersuchungsausschuss aussagen sollte, und schon ist die Sache vom Tisch.«
»Es war ein Parlamentsbeschluss, Signori! Sie erinnern sich.« Rendolo stellte mit Genugtuung fest, dass seine Worte die erwünschte Wirkung zeigten. »Genau zu diesem Zeitpunkt, Signori, kam Enrico Cardone ins Spiel. Der große Capo Romano Grasso hat ihn als seinen Wirtschaftsberater eingesetzt. Wie durch ein Wunder war plötzlich Geld in rauhen Mengen da, und die Hausbank verzichtete auf die Rückzahlung ihrer Kredite. Mit Hilfe intensivster Ermittlungsarbeit, hohem Observierungsaufwand und unter Einbeziehung modernster Abhörtechniken haben wir wesentliche Erkenntnisse gewonnen, wie das System Cardone funktionierte. Wir wissen, dass die von der Banco di Roma gewährten Kredite durch Bürgschaften von renommierten Banken gesichert wurden, nicht aber, wie diese Sicherheiten zustande kamen. Avvocato Cardone hat ein intelligentes System entwickelt, das wir zwar sehr genau beschreiben, nicht aber beweisen können. Zudem werden uns von den Regierungen jener Inselstaaten Ermittlungsgrenzen gesetzt.«
»Die Welt ist ziemlich gerecht!«, warf Pallardo ein. »Nun ist er tot.«
»Was uns zur Frage bringt: Wo ist das Geld? Außerdem frage ich mich, wo Cardones Anwaltspartner, die Signori Senna und Pantrini, geblieben sind?« Er blickte vorwurfsvoll in Richtung des Maggiore Conterno. »Die beiden sollten rund um die Uhr überwacht
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