Mala Vita
werden. Sie sind wichtige Zeugen, die das gesamte Netzwerk aufklären könnten. Vermutlich machte die Observierungstruppe gerade Mittagspause, als man Senna und Pantrini abholte. Anders kann ich mir eine solche Panne nicht erklären. Die beiden Anwälte sind verschwunden. Ich stelle die ketzerische Frage: Wurden sie von dem SISMI oder von der Mafia entsorgt?«
Die Wut des Maggiore Conterno ließ sein Gesicht dunkelrot anlaufen. »Sie sind ein Sack! Ein übler Nestbeschmutzer!«, zischte er böse. »Sie wissen genau, dass wir zurückgepfiffen wurden!«
»Sie können mich nennen, was Sie wollen, aber wie es scheint, haben Sie als Chef der operativen Einheit nicht genügend Einfluss an den richtigen Stellen ausgeübt. Da darf man sich schon mal eine diesbezügliche Frage stellen, nicht wahr?«
»Die beiden wurden ausgeflogen«, stieß Conterno zwischen den Zähnen hervor. »Jedenfalls gehen wir davon aus.«
»Man hätte sie vorher verhaften können. Dann hätten wir die Nutznießer und Drahtzieher längst hinter Schloss und Riegel, Signori, aber …«
Rendolo verstummte, weil Pallardo dem ungestümen Handzeichen Maggiore Conternos Rechnung trug und ihm das Wort erteilte.
Der Chef der operativen Abteilung erhob sich vom Stuhl und legte seine Zigarre am Aschenbecher ab.
»Signor Rendolo, Sie sind zwar gut informiert, aber leider etwas kurzsichtig, sonst hätten Sie erwähnt, dass das Vorhaben, Avvocato Cardones Kanzlei zu durchsuchen, vom Innenministerium abgeblasen wurde.«
»Wir wissen heute, dass der Befehl, die Durchsuchung zu unterlassen, auf einem Missverständnis beruhte«, erwiderte Rendolo sarkastisch. »Man sollte einigen Leuten aus unseren eigenen Reihen genauer auf die Finger sehen!«
Conterno lächelte tückisch. »Der Oberst spricht ein höchst delikates Problem an. Für meine Männer lege ich die Hand ins Feuer. Aber es gibt Kräfte in Rom, die großes Interesse daran haben, dass unsere Ermittlungen nicht zu greifbaren Ergebnissen führen. Solange Nachweise fehlen, will ich auch keine Namen nennen und nur so viel dazu sagen: Offensichtlich unterminiert der militärische Geheimdienst unsere Arbeit, und ich könnte mir gut vorstellen, dass die Anwälte Senna und Pantrini im Gewahrsam der SISMI sind. Es bleibt festzustellen: Unter den Parlamentariern sitzen Parasiten, die das Ziel haben, das Militär zu stärken. Und weshalb?« Er blickte wütend in die Runde. »Die gesamte Führungsspitze des militärischen Geheimdienstes verhält sich machtpolitisch. Ich kann Mussolinis Geist über ihren Köpfen schweben sehen. Machen wir uns nichts vor, wir haben es mit faschistischen Elementen in der Regierung zu tun! Bedauerlicherweise.« Der Maggiore zog seine Uniformjacke stramm, blickte Rendolo hasserfüllt an und wiederholte leise: »Sie wissen nur zu gut, wen ich meine.«
»Ach?«, erwiderte Rendolo angriffslustig. »Die Finger zweier Hände würden nicht ausreichen – so viele Faschisten befinden sich im Innenministerium. Und da könnte ich Ihnen einige Namen nennen, auch aus Ihrem direkten Bereich.«
»Sie … Sie hinterhältiger …«
»Ruhe!«, brüllte Pallardo und winkte energisch ab.
»Rendolo lässt seelenruhig zu«, brüllte Conterno wutschäumend, »dass ein Mensch erdrosselt, erschossen oder hingerichtet wird. Und dann redet er von Faschisten in unseren eigenen Reihen?«
»Es kommt immer auf das Motiv an, verehrter Maggiore Conterno. Wir reden hier von nationalem Interesse und übergesetzlichem Notstand.«
Jetzt schaltete sich Dottore Bandini ein, der sich bisher missgelaunt zurückgehalten hatte, aber dem nun offenkundig die Hutschnur gerissen war. Wütend attackierte er Rendolo: »Weshalb spielen Sie sich so auf? Sie wechseln das politische Lager so schnell, dass man nicht mehr weiß, wo sie noch gestern gestanden haben. Wie soll ich dann wissen, was Sie wirklich denken?«
Die Sitzung drohte aus den Fugen zu geraten, weil alle gleichzeitig redeten und einer den anderen übertönen wollte.
»Das Grundproblem in unserem Land ist die fehlende politische Konstanz!«, brüllte Conterno dazwischen. »Die Regierung in unserem Land wird inzwischen so oft neu gewählt, wie italienische Männer ihre Unterhosen wechseln. Während die Banco di Roma seit fünfzig Jahren den Finanzmarkt bestimmt, hat in Italien beinahe jeder Bürger die Chance, einmal in seinem Leben Ministerpräsident zu werden. Kein Wunder, dass sich jeder einfältige Unterstaatssekretär zutraut, an die Spitze der Macht zu
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