Mala Vita
stehe vor einem Gebirge von Fragen. Verstehen Sie das?«
Ghallager schwieg.
»Sie mögen mich als naiv bezeichnen, Sir, vielleicht auch als weltfremd, aber wissen Sie was?« Cardone brütete für eine Sekunde vor sich hin, als suche er nach den richtigen Worten. »Ich sehne mich nach meiner einfachen Welt, nach meinen vier Wänden in der dritten Etage des Mietshauses in der Vicolo Santa Lucia. Ich habe es vergleichsweise gut getroffen. Ich habe einen guten Freund, Arbeit, die mich ausfüllt, und ein Leben, das überschaubar ist.«
»Ich verstehe Sie«, erwiderte Ghallager ruhig. »Und lassen Sie mich dazu noch etwas sagen, Roberto! Aus welchen Quellen auch immer diese gewaltige Summe stammen mag, es darf mich erst dann interessieren, wenn ich den Nachweis habe, dass es sich um illegales Geld handelt.«
»Erklären Sie mir wenigstens, wie das viele Geld auf das Konto meines Bruders gelangte!«
Sir Edwin nickte bedächtig und faltete die Hände. »Wir sind eine Offshore-Bank, und unser Haus tätigt keine Bankgeschäfte mit der Allgemeinheit, sondern nur mit den mit ihr verbundenen Unternehmen und Personen. Dadurch wird eine außerordentliche Exklusivität hergestellt. Weder einem Mister Miller oder Smith noch einem Mister Jones wird gestattet, bei der Bank Konten zu eröffnen. Lediglich einem handverlesenen Kreis von Unternehmern und privaten Kapitalanlegern ist der Zugang zur Bank geöffnet. Solche Bankstrukturen sind stets so gestaltet, dass der Kunde zugleich Aktionär der Bank ist und damit die Geschicke der Bank kontrollieren kann. Ihr Bruder war Aktionär dieser Bank. Faktisch ist alles in Ordnung und entspricht den Gesetzen unseres Landes. Natürlich ist es möglich, dass er von Italien aus Geschäfte mit sich selbst machte, aber das ist in unserem Land kein Straftatbestand.«
»Das erklärt nicht die Herkunft von dreihundertzweiundachtzig Millionen Dollar!«, erwiderte Cardone und wischte sich seine feuchte Stirn mit dem Handrücken ab.
»Nein, sicher nicht. Tatsache ist, dass Enrico über die Summe verfügt haben muss, denn sie wurde vor genau fünf Wochen diesem Konto gutgeschrieben. Auftraggeber war Ihr Bruder, und der Betrag kam von einer Offshore-Bank in Vanuatu. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
»Ich könnte schwören, das ist illegales Geld!«, rief Cardone vorwurfsvoll. »Wenn solch gewaltige Summen plötzlich auf einem Konto auftauchen, müssten Sie doch wie elektrisiert aus dem Stuhl fahren!«
»Ich glaube, Sie haben ein völlig falsches Bild von der Welt des Geldes, lieber Roberto. Es ist üblich, dass enorme Summen von Offshore-Bank zu Offshore-Bank transferiert werden. Auch wenn mein Bankhaus auf Sie nicht den Eindruck macht«, Sir Ghallager lächelte milde, »unser Bilanzvolumen beträgt mehr als vierzig Milliarden Dollar. Insofern sind für uns dreihundertachtzig Millionen kaum der Rede wert.« Er räusperte sich. »Bevor Sie auf die Idee verfallen, wir würden uns außerhalb des Gesetzes begeben oder gar Verbrechern eine Plattform bieten, muss ich Sie wohl einer Illusion berauben.«
»Ich bin ganz Ohr«, erwiderte Cardone und starrte sein Gegenüber mit unverhohlener Skepsis an.
»Was glauben Sie, Roberto, fasziniert Menschen mit sehr viel Geld? Türkis schimmerndes Wasser, strahlend blauer Himmel, weiß glänzende Segeljachten. Mit seinem Vermögen ins Paradies zu kommen, ist so einfach! Ganz wie der alte Aussteigertraum: Man muss nur loslassen können, die Gebräuche der Heimat mitsamt ihrer Steuerlast. Das genau bietet eine Offshore-Gesellschaft. Für Sie zum besseren Verständnis, mein lieber Roberto: Offshore, also außer Reichweite heimischer Steuergesetze, ein Ort für bequeme Kapitalerträge und Einkommen. Ohne dumme Fragen aus der Heimat. Ohne Möglichkeiten mit heimischen Strafgesetzen sanktioniert zu werden. Einen solchen Ort hat Enrico gefunden. Vor vielen Jahren. Und er ist hier heimisch geworden.«
»Aber das Verschieben von Geld ist doch illegal!«
»Wie kommen Sie nur auf diese Idee? Wenn Sie sich hier anmelden, hier mit einem Schreibtisch und einem Angestellten eine Firma betreiben, können Sie tun und lassen, was Sie wollen. Alle internationalen Großbanken kooperieren mit Offshore-Banken in sogenannten Steuerparadiesen, mit manchen offen, mit anderen eher unauffällig. Sei es die Banco di Roma, seien es Chase Manhattan, Stanley Morgan, die schweizerische UBS , die Western Union, die Deutsche Bank oder die Commerzbank, ja selbst die Vatikanbank spielt bei dem
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