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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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ledergebundenen Kladde mit den in Gold geprägten Initialen seines Bruders: E. C. Eine sentimentale Traurigkeit erfasste ihn. Der dunkelrote Ledereinband versetzte ihn einen Augenblick lang in seine Jugendzeit, als er mit Enrico bei Kerzenlicht im Keller des Elternhauses Abenteuerromane und geheimnisumwitterte Geschichten gelesen hatte. Zögernd schlug er die Kladde auf.
    Er stutzte. Gleich auf der ersten Seite sprangen ihm Wörter ins Auge, die er in Premeno auf Sennas Schreibtisch schon einmal auf einem Blatt Papier gelesen hatte. Die Konten der Dreizehn. Darüber in Druckbuchstaben: »Rizzolo«.
    In der ausdrucksstarken, ein wenig verschlungenen Handschrift seines Bruders waren fein säuberlich untereinander dreizehn Namen aufgeführt.
    Die meisten waren Cardone aus Wirtschaftsnachrichten und Politik geläufig. Die Liste las sich wie das »Who is Who« der italienischen Gesellschaftswelt. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er weiterblätterte. Es folgten seitenweise Aufzeichnungen die Kontenblättern glichen. Nummern, Daten und einbezahlte Beträge auf Konten in Vanuatu, einem Inselstaat der Neuen Hebriden. Cardone griff in die Jackentasche, in die er die Kontoauszüge gesteckt hatte und verglich die Bankanschrift. Sie war identisch. Wieder vertiefte er sich in das Zahlenwerk. Hinter jeder Summe waren Stichworte vermerkt: Beratungshonorar, Sonderzahlung, Provision oder Know-how-Transfer.
    Cardone blickte auf und sah aus dem Fenster. Sein Blick fiel auf zwei elegant gekleidete Männer, die sich an ein Auto gelehnt angeregt unterhielten und rauchten. Ihrem Aussehen nach schienen sie aus Antigua zu sein, zumindest aber waren es Südländer. Er hatte zwar nicht den Eindruck, dass sie sich für ihn interessierten, wurde aber dennoch das diffuse Gefühl nicht los, dass irgendetwas auf der Straße anders war. Er nahm sich zusammen. »Ich höre das Gras wachsen«, murmelte er vor sich hin und las weiter.
    Er verstand zwar nichts von Buchhaltung, aber zwei wesentliche Sachverhalte wurden ihm sofort deutlich. Die Addition der Kontensalden deckte sich überschlägig mit der Gesamtsumme, die er gerade zurücküberweisen hatte wollen.
    Ebenso klar war ihm, dass Minister, Staatssekretäre, Parteiführer und sogar Gewerkschaftsbosse Millionen und Abermillionen Dollar über eine Rechtanwaltskanzlei mit Namen Geoffrey Gee & Partners in einer Steueroase geparkt hatten. Was immer auch unter Provision, Sonderzahlung etc. zu verstehen war, es war offensichtlich, dass es sich um Schwarzgeld handelte. Fassungslos blätterte Cardone Seite für Seite weiter, bis er auf die nächste Überschrift stieß:
»Una proposta che non si può rifiutare!«
– Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann«.
    Was Enrico niedergeschrieben hatte, ließ das Blut in den Adern seines Bruders gefrieren. Je weiter Roberto las, desto mehr erschrak er. Mehrfach musste er tief durchatmen. Da stand es! Schwarz auf weiß! Enrico war Consigliere des großen Romano Grasso gewesen, hatte Politiker aus Regierungskreisen korrumpiert. Skrupellos und ohne sich um Moral oder Ethik zu kümmern, hatte er dabei geholfen, dass Regierungsmitglieder schamlos in die eigene Tasche wirtschaften konnten. Enrico war, wie er den Aufzeichnungen entnehmen konnte, der große Weichensteller für die illegalen Geldtransfers gewesen.
    Was er vor Augen hatte, war Enricos Geständnis. Sein Bruder hatte niedergeschrieben, wie alles seinen Anfang nahm, wie er sich in die Maschen des Geldwäschenetzes verstrickte. Erst mit kleinen Mandaten, dann mit immer größer werdenden Summen und immer wichtigeren Auftraggebern, bis eines Tages Romano Grasso in seiner Kanzlei auftauchte und nicht lange hinterm Berg hielt, was er von ihm verlangte.
    Romano Grasso, den Enrico in der Kladde als einen gefährlichen und unberechenbaren Verbrecher beschrieb, hatte ihn erpresst. Er hatte Enrico ausgemalt, wo er landen würde, wenn seine illegalen Machenschaften ruchbar würden. Der Bruder saß in der Falle. So hatte alles vor mehr als zehn Jahren begonnen.
    Schockiert und atemlos las Cardone über den Werdegang und das für ihn unbekannte Leben seines Bruders, bis er auf eine Seite stieß, deren Inhalt ihn erstarren ließ. Sekundenlang war er wie gelähmt. Nur allmählich begriff er die ganze Tragweite eines einzigen, kurzen Absatzes:
    »Perlaquale ist nicht nur Romano Grassos Geliebte, sie ist auch eine außergewöhnliche Schönheit. Die Dame ist eine gnadenlose Mörderin, gefährlicher und unberechenbarer

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