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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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Welt, was nicht heißen soll, dass ich deswegen unbedarft bin. Enrico hat anscheinend mir und allen anderen etwas vorgespielt. Von Geld oder Besitz war nie die Rede. Ich habe in der Vergangenheit immer mit sehr wenig auskommen müssen, und es hat mich nie gestört. Natürlich musste ich sehen, wie ich zurechtkam. Enrico wusste das, aber er hat mich finanziell nie unterstützt. Nun gut, irgendwie bin ich immer über die Runden gekommen. Plötzlich jedoch, von heute auf morgen, bin ich mit Tatsachen konfrontiert, die mich atemlos machen.« Cardone stockte. »Im Licht dieser neuen Erkenntnisse erscheint mir das Leben meines Bruders immer unheimlicher. Glauben Sie mir, ich bin hauptsächlich deshalb nach Antigua gekommen, weil ich wissen will, wer mein Bruder wirklich war.«
    Nachdem der Kellner ein leichtes Mittagessen serviert hatte, nahm Sir Ghallager einen tiefen Schluck aus seinem Bierglas. »Das kann ich sehr gut nachempfinden. Doch was Ihr Erbe angeht, so sollten Sie es nicht als unwichtig abtun! Dazu ist das Vermögen zu bedeutend und der Landsitz Ihres Bruders an der Half Moon Bay zu wertvoll.«
    Cardone saß wie versteinert am Tisch. Er wandte den Kopf zu den Segeljachten, die vor dem »Admiral’s Inn« und in der Bay ankerten. »Was ist für Sie ein bedeutendes Vermögen, wenn ich fragen darf?«, murmelte er wie paralysiert.
    »Lassen Sie uns die Dinge später in der Bank klären! Dazu sind allerdings einige Formalitäten notwendig. Ich benötige dann Ihren Ausweis und das Codewort. Es soll schließlich alles seine Richtigkeit haben.«
    Cardone nickte. »Sie erwähnten den Landsitz meines Bruders …«
    »Ja! Enrico hat ihn vor vielen Jahren gekauft. Ein geradezu einmaliges Objekt. Er gehört zu den schönsten und luxuriösesten Anwesen auf der Insel. Formell ist die Besitzerin eine junge Frau, mit der ihr Bruder zusammenlebte, wenn er sich hier aufhielt. Enrico hat allerdings eine Übertragungsurkunde anfertigen lassen, in der festgelegt ist, wer der eigentliche Eigentümer sein soll. Keine Seltenheit in Antigua. Aus fiskalischen Gründen, die in unserem Land nicht von Relevanz sind, wird häufig diese Form der Verschleierung von Eigentum gewählt. Sie können Haus und Grundstück jederzeit auf Ihren Namen überschreiben lassen. Die Dame hat das Haus bereits verlassen. Das müssen Sie selbst entscheiden.«
    »Mir wird mein Bruder immer unheimlicher«, entfuhr es Cardone. »Ich frage mich immer öfter, was ich von Enricos Leben wirklich gewusst habe. Mir ist, als habe ich ihn nie gekannt, als würde ich in ein völlig fremdes Leben eindringen, in ein Leben, das mich nichts angeht.« Er atmete tief durch. Er spürte, dass der forschende Blick seines Gegenübers auf ihm lag, und ihm wurde unwohl bei dem Gedanken, was er noch alles erfahren würde. Er wurde auch den Eindruck nicht los, dass Sir Ghallager viel mehr wusste, als er im Augenblick preisgab. »Was ist das für eine Frau?«, fragte er weiter. »Enrico muss ihr sehr nahegestanden haben, wenn er ein solches Arrangement mit ihr getroffen hat.«
    Ghallager lächelte nachsichtig. »Dachten Sie, Enrico sei ein Frauenverächter gewesen?«
    »Jedenfalls kein Mann, der eine derartige Beziehung hatte.«
    »Mit einer Schönheit dazu, das möchte ich hinzufügen. Silvia Alvarez heißt die Dame. Wenn Sie möchten, stelle ich sie Ihnen gerne vor. Sie ist eine ganz reizende Person. Enrico war zwar mit Haut und Haaren Italiener, der sich in seiner Heimat sehr wohl gefühlt hat, aber er wollte sich eines Tages hier ganz niederlassen. Jedenfalls hat er es mir gegenüber oft erwähnt. Ich weiß, dass er hier sein wahres Leben gefunden und gelebt hat.« Sir Edwin machte eine Pause. »Entschuldigen Sie, ich war nachlässig«, bemerkte er mit einem Blick auf Cardones leeres Glas. »Möchten Sie noch etwas trinken? Die Kellner sind manchmal so fürchterlich unaufmerksam.«
    »Wenn es einen Cappuccino gibt, gerne«, antwortete Cardone abwesend. Während sich Ghallager erhob und im Restaurant verschwand, versuchte Cardone in seinem Inneren Ordnung zu schaffen und einen klaren Gedanken zu fassen. Er saß inmitten einer Postkartenidylle auf der anderen Hälfte der Weltkugel und hatte das Gefühl, dass alles, was zu Hause passierte, völlig unwesentlich war. Bologna, Carlo, seine Arbeit, die Medien – alles schrumpfte auf eine unwirkliche, kaum noch bedeutsame Dimension zusammen. Selbst der grässliche Mord an Enrico schien in seiner Erinnerung von der neuen Realität

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