Mala Vita
großen Deal internationaler Vermögen mit. Dass dies ohne Beteiligung oder zumindest Duldung der jeweiligen Regierungen unmöglich ist, steht doch außer Frage, nicht wahr? Natürlich kann man nicht ausschließen, dass es schwarze Schafe unter den Anlegern gibt. Das Sprichwort
›Pecunia non olet‹
kennen Sie?« Ghallager hatte erregt und leidenschaftlich gesprochen, als verteidige er seine Wertewelt und die Lauterkeit seines Tuns.
Cardone hatte atemlos zugehört und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »
Naturalmente!
Enrico hat Cent für Cent in sein Sparschwein gesteckt, und siehe da, auf einmal waren es dreihundertachtzig Millionen!« Cardone starrte hinüber zum Fenster, unter dem sich eine Palme im Wind wiegte. Erregt presste er die Lippen zusammen. »Das Geld gehörte nicht ihm, darauf können Sie sich verlassen!«
Ghallager zwirbelte an seinem Backenbart und lachte in sich hinein. »Ach, Roberto! Woher nehmen Sie denn diese Gewissheit? Und außerdem: Ist das so wichtig?«
»Niemand auf der Welt kann ein solches Vermögen in einem einzigen Leben zusammentragen!«
»Sie scheinen auf der Insel der Naivität zu leben. Rund ein Sechstel der weltweiten Bankguthaben sind Offshore-Vermögen«, erwiderte Sir Edwin ernst. »Konservativ gerechnet sind das im Augenblick neun Billionen Dollar.« Sein Blick ruhte auf Cardone, der ihm sprachlos gegenübersaß und nervös mit seinen Händen spielte.
»Mein Hirn ist wie gelähmt, wenn ich darüber nachdenke, wem Enricos Millionen tatsächlich gehören. Handelt es sich dabei um Schwarzgeld?«
»Das lässt sich schwer beurteilen«, antwortete Sir Ghallager, ohne sich anmerken zu lassen, ob er einen solchen Sachverhalt für verwerflich hielt.
»Und wenn es Geld aus Mafiakanälen ist? Kann ich mich dann gleich einsargen lassen? Diese Leute sind doch nicht dämlich! Sie brauchen nur eins und eins zusammenzuzählen, dann wissen sie, dass ich der einzige Erbe bin.«
Sir Edwin schien sich auch durch dieses Argument nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, denn er zupfte, ohne eine Miene zu verziehen, nach wie vor an seinem Backenbart. »Ich bitte Sie, Roberto! Wenn Zeitungen in Italien solche unerhörten Behauptungen aufstellen, müssen sie dennoch erst bewiesen werden.«
Cardone fühlte eine beängstigende Starrheit in sich aufkommen und verfiel in Schweigen.
»Haben Sie jemandem von Ihrem Erbe erzählt?«, unterbrach Sir Edwin die Stille.
Cardone nickte. »Meinem Freund Carlo …«, antwortete er nachdenklich. Wenn er es recht bedachte, wussten außer Carlo, der ohne jeden Zweifel vertrauenswürdig war, schon eine ganze Menge Leute davon: Pantrini und Senna, Rosanna, d’Aventura, auch auf dem Nachlassgericht in Pallanza hatte er sein Erbe angemeldet.
»Solche Nachrichten verbreiten sich schnell«, konstatierte der Banker und wiegte den Kopf. »Versuchen Sie vor jedem, der es weiß, Ihr Erbe herunterzuspielen. Am besten, Sie verlieren kein weiteres Wort darüber.«
»Wenn das so einfach wäre«, murmelte Cardone. Sein Blick streifte durch Ghallagers Büro. »Mir kommt das alles vor wie in einem schlechten Film.«
»Wie ich bereits sagte«, fuhr Ghallager fort, »wir haben hier keine Smith und Jones, die ihre Konten bei uns unterhalten. Bei uns werden nur wesentliche Buchwerte geführt, zu den auszahlenden Instituten gehören alle namhaften Banken. Sie können also auch in Bologna beliebig viel Geld abheben, notfalls dreihundertachtzig Millionen.«
»Ich kann solche Zahlen überhaupt nicht denken«, sagte Cardone tonlos, »ganz zu schweigen davon, was man mit so viel Geld tun soll.« Er zog seine Mundwinkel angewidert nach unten. »Mir ist dieses Erbe nicht nur unheimlich, ich empfinde auch das gesamte Finanzsystem als eine einzige Absurdität.«
»Auf Sie mag das so wirken«, erwiderte der Engländer ohne Überheblichkeit. »Durch meine Brille betrachtet, hat Enrico eine lächerlich kleine Summe von da nach dort verlagert. Sie sollten die deponierten Unterlagen Ihres Bruders einsehen. Ich vermute, dort erhalten Sie die Antworten, die Sie suchen.« Sir Edwin erhob sich und ging zu seinem Schreibtisch, hinter dem an der Wand das Gemälde einer englischen Seeschlacht hing. Er klappte es zur Seite, und ein Wandtresor wurde sichtbar.
Wie in Großvaters Wohnstube, dachte Cardone und beobachte, wie Sir Ghallager umständlich aus seiner Weste den Schlüssel nestelte und den Tresor öffnete. Das Innere des kleinen Panzerschrankes war in mehrere Schließfächer
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