Mala Vita

antwortete Gallerte grinsend. »Es wird ja hier gewaschen.«
    Im zweiten Stock betraten die beiden durch eine doppelflügelige Glastür die Kanzlei. Der schwere, blassrote Teppich harmonierte angenehm mit den Pastelltönen des Foyers und dem Mahagonidesk, das die Besucher von der Empfangsdame trennte.
    »Hi«, grüßte Ruffo kurz, nahm die Sonnenbrille ab und blickte auf das Namensschild der Angestellten, die die beiden Fremden mit unbekümmerter Neugierde betrachtete. »Mein Name ist Ruffo. Der da …«, er drehte sich um und deutete auf seinen hinter ihm stehenden Partner, »… ist Signor Gallerte.« Der stämmige Sizilianer, der sich nach wie vor hinter einer Sonnenbrille versteckte und unverdrossen Kaugummi kaute, machte eine übertriebene Verbeugung. »Wir kommen aus Palermo«, fuhr Ruffo fort, »im Auftrag der Rizzolo Venture Capital.« Mit zusammengekniffenen Augen lauerte er auf die Wirkung seiner Worte. Aber die Empfangsdame schien unbeeindruckt. »Wir sind bei Mister Lan Hua angemeldet. Geben Sie ihm bitte Bescheid!«
    Die üppige Einheimische beobachtete freudestrahlend, wie Gallerte mit seinem Kaugummi einen Ballon produzierte, der unvermittelt platzte, so dass Reste an Oberlippe und Nase kleben blieben. Sie lachte laut auf und ihr schwerer Busen wogte vor Begeisterung. Während Gallerte mit spitzen Fingern die Reste des Kaugummis aus dem Gesicht pulte, warf Ruffo seinem Partner einen vernichtenden Blick zu.
»Idiota!«
    »Kann ich bitte Ihre Ausweise sehen?«, fragte die Einheimische immer noch lachend und hielt abwartend die Hand auf. »Wir versichern uns immer gerne vorher, ob Sie auch tatsächlich sind, wer Sie …«
    Beide griffen, ohne eine Miene zu verziehen, in die Innentasche ihrer Jacke und legten ihren Reisepass auf den Tresen. Während die Angestellte schweigend in den Dokumenten blätterte und die Passbilder mit den Gesichtern verglich, trommelte Ruffo ungeduldig mit den Fingern auf das Desk. »Ob sie lesen kann?« murmelte Gallerte, der mit aufgestütztem Ellbogen neben Ruffo lümmelte.
    »Just a moment.«
Ohne Beanstandung reichte die gewaltige Empfangsdame die Pässe zurück und verschwand in der Tür hinter ihr. Nach nur wenigen Augenblicken erschien sie mit einem dunkelhäutigen Mann in einem dezent grauen Anzug und schreiend bunter Krawatte. »Mister Lan Hua«, kündigte sie ihren Chef an und wandte sich dann dem Papierkram auf ihrem Schreibtisch zu.
    Mister Hua streckte Ruffo freudestrahlend die Hand entgegen. Seine weichen exotischen Gesichtzüge, die braunen Augen und seine gedrungene Figur vermittelten eher das Bild eines zufriedenen Stammeshäuptlings, der versehentlich in einem Zweireiher steckte.
    »Welcome in the most powerful financial centre of the Melanesian area, Sirs!«
Lan Hua lachte und auf seiner Stirn stand Stolz geschrieben. Die starken Gläser seiner Hornbrille vergrößerten seine Augen, die die Ankömmlinge zu hypnotisieren schienen wie eine Lupe.
    Mister Hua gab ein absonderliches Bild ab. Nichtsdestoweniger galten er und seine Kompagnons als eine der besten Adressen im südpazifischen Raum, spezialisiert auf die unbürokratische Gründung von Offshore-Firmen und die Verwaltung riesiger Kapitalsummen. Es handelte sich um eine boomende Branche, um einen wichtigen und rasant wachsenden Teil der Finanzwelt. Die Globalisierung der Finanzmärkte hatte dazu geführt, dass gewaltige Kapitalmengen beinahe ohne jegliche Kontrolle rund um den Globus transferiert wurden. Gallerte gaffte den Anwalt staunend an und vergaß dabei seinen Kaugummi, während sich Ruffo vollkommen im Griff hatte.
    »Folgen Sie mir bitte!«, sagte Mister Hua, wandte sich um und watschelte mit schnellen Schritten in sein Büro. »Nehmen Sie Platz, meine Herren!« Er zeigte auf die Polstersessel am Konferenztisch, wohingegen er sich wie ein Imperator hinter seinem riesigen Mahagonischreibtisch verschanzte. »Ich hoffe, Sie konnten sich ein wenig von den Reisestrapazen erholen. Darf ich Ihnen eine Erfrischung bringen lassen? Oder lieber Kaffee?«, fragte er höflich. Doch Ruffo wehrte mit der Hand ab und verzog das Gesicht. »Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«, fragte der Anwalt.
    Ruffo zog seine Aktentasche auf den Schoß und entnahm ihr einen Schnellhefter, der mit großen Lettern beschriftet war: »Rizzolo Venture Capital«.
    »Da Sie die Konten der Rizzolo verwalten und Ihre Kanzlei den geschäftsführenden Direktor stellt, muss ich Sie heute davon in Kenntnis setzen, dass sich eine