Mala Vita
einfachen Leben unter Palmen, bei ewig heiterem Himmel auf einer der seligen Inseln in der endlosen Weite des Pazifischen Ozeans. In losen Gruppen wachsende Palmen wechselten ab mit dichtem Hibiskus, orange blühenden Tulpenbäumen und Bougainvilleen. Nirgendwo sonst auf der Welt war das Meer so blau, waren Blüten so farbig, die Natur und die Menschen von solcher Schönheit wie auf Vanuatu. Den Sizilianern, die stoisch aus dem Fenster blickten, bot sich eine überwältigende und einzigartige Flora. In windschiefen, grell bemalten Hütten sahen sie unbekümmerte Einheimische voll spürbarer Lebensfreude. Teilnahmslos verfolgten die beiden die beeindruckende und fremde Schönheit der Umgebung und das ständig wechselnde Szenario einer paradiesischen Landschaft.
Ein zusammengewürfelter Haufen von Stelzenhäusern am Uferrand, der wie eine Mischung aus Künstlerviertel und Kolchose wirkte, zog Ruffos Blick an. Erfinderische Zeitgenossen hatten auf dem Wasser ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und aus ausrangierten Floßhütten und alten Booten eine kreative Heimat errichtet. Zwischen den verwegen aussehenden Wohnstätten entdeckte er überdimensionale Skulpturen und Plastiken aus Schrottteilen, Holzresten und Kunststoff. Ein Netz aus hölzernen Leitern, Stegen und Brücken ließ die Siedlung wie eine futuristische Traumstadt aus Treibholz aussehen. Grell, farbenfroh und bizarr. Kuppelgebäude, bewohnbare Figuren, selbst liebevoll angelegte Ziergärten mit Blumen und Kräutern hatten die Bewohner in der absonderlichen Kolonie geschaffen. Das Fahrzeug näherte sich der Hauptstadt Vanuatus. Port Vila präsentierte sich von seiner attraktiven Seite: eine saubere, kleine und quirlige Hafenstadt mit modernen Häusern und gepflegter Palmenpromenade.
Wie der Chauffeur vorausgesagt hatte, erreichten die beiden Sizilianer nach zwanzig Minuten den Anleger des Hotelressorts. Sie betraten eine exotische Insel mit einer einzigartigen Blütenpracht. Die offene Bauweise des Hotels, dessen Gebäude in die wildwuchernde Pflanzenwelt eingepasst waren, machte einen angenehmen Eindruck Das Personal verriet die Leichtigkeit einer naiven Weltanschauung, gepaart mit freundlichem Geschäftssinn, die den beiden Italienern zum ersten Mal so etwas wie ein Lächeln abzwang.
Gallerte und Ruffo verbrachten ihren Ankunftstag unbeschwert am Pool bei kühlen Drinks und entspannten. Sie hatten sich im Hotel leichte Sommerhosen und Hemden gekauft und waren nun dem Klima entsprechend gekleidet. Sie dösten abseits des Hoteltrubels auf Liegestühlen und beobachteten das Treiben der Gäste. Ganz allmählich ließen auch sie sich vom trägen Rhythmus der polynesischen Urlaubsatmosphäre einfangen, und es stellte sich langsam eine für sie ungewohnte Gelassenheit ein. Für den späten Nachmittag hatten sie sich vorgenommen, durch Port Vila zu schlendern. Doch die Zeitumstellung und die Strapazen der Reise verlangten ihren Tribut, und sie wurden bald müde. Da sie den polynesischen Straßenküchen nicht trauten, kehrten sie ins Hotel zurück. Dort bereitete einer der Hotelköche am Rand des Pools auf heißen Steinen Spanferkel zu und
poisson cru
, ein Thunfischvorgericht auf polynesische Art. Schweigend löffelten die beiden Sizilianer ihr Essen und kehrten dann ebenso wortlos in ihre Zimmer zurück.
Am nächsten Morgen hatten sie sich nach einem ausgiebigen Frühstück in die Stadtmitte von Port Vila chauffieren lassen und standen nun im Zentrum vor dem Raffea House am Kumul Highway. In dieser Einkaufsstraße herrschte morgendliche Gemächlichkeit. Viele Ladengeschäfte waren noch geschlossen oder öffneten gerade. Auch in dem zweistöckigen Geschäftshaus schien gerade das Leben zu erwachen; Jalousien wurden herabgelassen und Angestellte betraten das Bürogebäude. Gallerte deutete auf das Schild neben dem Eingang. In goldenen Lettern stand auf schwarzem Marmorgrund: »Geoffrey Gee & Partners. Barristers, Solicitors and Notary Public. Second Floor.«
»Andiamo …«,
murmelte Ruffo. »Bringen wir den Herren die frohe Botschaft!«
Die großzügige Ausstattung des Treppenhauses mit Marmorstufen, verchromten Handläufen und edlem Stuck signalisierte, dass es sich hier um eine erfolgreiche Offshore-Kanzlei handelte. An den samtgrauen Wänden hingen Schwarzweißfotos, auf denen Banknoten unterschiedlicher Währungen als Collage dargestellt waren.
»Pecunia non olet«,
bemerkte Ruffo sarkastisch und deutete im Hinaufgehen auf die Bilder.
»Kein Wunder«,
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