Mala Vita
wichtige Änderung ergeben hat. Unser Verwaltungsrat hat beschlossen, den Sitz der Rizzolo Venture Capital zu verlegen und die Vermögen mit sofortiger Wirkung auf ein neues Konto nach Castries auf Saint Lucia, West Indies zu transferieren. Wir möchten, dass sie die Gelder auf neue Treuhandkonten überweisen. In der Akte finden Sie die Liste der Konten mit den jeweiligen Einzelvollmachten und Verfügungsberechtigungen sowie die Kontonummern auf Saint Lucia.« Ruffo erhob sich vom Sessel und legte den Schnellhefter auf Huas polierten Schreibtisch. Als sei die Sache für ihn damit erledigt, ließ er sich wieder in den weichen Polstersessel fallen, schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück.
Lan Huas Lippen umspielte ein kaum merkliches Lächeln, als er die Akte aufschlug und die Papiere überflog. Gleich darauf schloss er die Mappe wieder und schob sie zurück. Aufreizend ruhig tippte er mit dem Zeigefinger auf sie. »Die Papiere können Sie wieder an sich nehmen. Ich fürchte, es handelt sich um ein Missverständnis Ihres Verwaltungsrates. Hat man Sie nicht informiert?«
Ruffo und Gallerte wechselten überraschte Blicke.
»Rizzolo Venture Capital wurde aufgelöst, die Konten wurden vor drei Wochen gekündigt«, fuhr Lan Hua freundlich fort. Er griff nach dem Telefonhörer und gab eine Anweisung in einer Sprache, die die beiden Besucher niemals zuvor gehört hatten. Sekunden später traten zwei weitere dunkelhäutige Herren in tadellos sitzenden Anzügen ein und begrüßten die Sizilianer mit einem kurzen Kopfnicken. »Meine Partner«, beantwortete Lan Hua Ruffos irritierten Blick. Wortlos überreichten die eingetretenen Anwälte den Besuchern ihre Visitenkarten. Einer der beiden hielt ein Schriftstück bereit, das er Lan Hua in die Hand drückte.
»Wie dürfen wir das verstehen?«, fragte Gallerte schroff und schielte misstrauisch auf die Aktennotiz. »Ich meine …« Wieder blickten sich die beiden Sizilianer an. »Sie sagen, Rizzolo Venture Capital gibt es nicht mehr?«
Hua faltete die Hände und lächelte.
»Das ist völlig unmöglich!«, konstatierte Ruffo energisch.
»Weshalb unmöglich?«, erwiderte Hua mit strahlendem Lächeln und zeigte seine blendend weißen Zahnreihen. »Wir arbeiten stets zügig und verlässlich.«
Konsterniert warf Ruffo seinem Begleiter einen hilfesuchenden Blick zu, doch der zuckte nur ratlos mit den Achseln. Dann wandte Ruffo sich wieder an Hua. »Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass unser Auftraggeber nicht weiß, was er uns aufträgt?«
Lan Hua überflog die Aktennotiz. Bedauernd blickte er auf. »Wenn ich es genau nehme, darf ich Ihnen überhaupt keine Auskünfte geben. Sie sind schließlich nicht mehr unsere Klienten. Wie Sie sicher wissen, arbeiteten wir jahrelang mit Consigliere Cardone zusammen und das zu beiderseitiger Zufriedenheit. Doch dieses Kapitel ist abgeschlossen.«
Wie ein Jäger, der auf Karnickel anlegt, kniff Ruffo ein Auge zu. »Aber hier sind unsere Vollmachten!«
»Sie haben keine Relevanz. Aber da die Herren Massimo und Santorini Freunde des Hauses und Sie eigens aus Italien hierhergereist sind, will ich eine Ausnahme machen.« Mister Hua legte eine bedeutungsvolle Pause ein und fuhr dann mit fester Stimme fort: »Am zweiten Juni hat uns Mister Cardone bei seinem persönlichen Besuch angewiesen, die in ihren Vollmachten genannten Konten bei der Westpac Banking Corporation in Port Vila abzuwickeln. Auftragsgemäß haben wir am gleichen Tag die Westpac Bank in Kenntnis gesetzt und die Orders ausführen lassen. Sämtliche Formalitäten zur Abmeldung der Rizzolo Venture Capital wurden von mir persönlich weisungs- und ordnungsgemäß durchgeführt. Rizzolo existiert nicht mehr.«
Gallerte und Ruffo saßen sekundenlang wie erstarrt in den Polstersesseln, während die drei Anwälte bedeutungsvolle Blicke austauschten. Gallerte fand als Erster die Sprache wieder. »
Porca miseria!
Sind Sie völlig verrückt geworden?«
»Ich wiederhole es Ihnen gerne mit anderen Worten«, sagte Lan Hua freundlich. »Die Guthaben wurden abgezogen. Das bedeutet in unserer Bankensprache: abwickeln. Der Geschäftssitz der Rizzolo Venture Capital in Vanuatu ist erloschen.«
»Der Kerl will uns veralbern«, zischte Gallerte und stieß Ruffo in die Seite. Seine Narbe auf der Wange leuchtete vor Aufregung glutrot. »Wir hocken drei Tage lang in einem Jet, fliegen ans Ende der Welt, nur um von diesen drei Halbaffen zu erfahren, dass unser Geld nicht mehr da
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