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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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damals lachend darauf geantwortet, dass er stattdessen lieber die Zeit nutzen würde, um etwas Gutes zu schreiben. Nur das habe Bedeutung. Enrico stand plötzlich vor seinem geistigen Auge. Erst dessen Tod hatte ihm mit dem Erbe den Weg frei gemacht zu einem anderen Umgang mit dem Leben, vielleicht auch mit seinen Talenten und seiner Zeit. Erst Enricos Tod war der Keim nicht nur zu neuen Ideen, sondern auch neuer Sehnsüchte.
    Vor Cardones Augen schien sich ein imaginärer Schleier zu öffnen. Als habe jemand auf der Bühne seines Daseins einen Theatervorhang beiseitegeschoben, eröffnete sich ihm die ernüchternde Realität seiner Umgebung in einer bisher unbekannten Schärfe. Das Wohnzimmer mit den durchgesessenen Polstermöbeln, bezogen mit abgewetztem rotem Cordstoff, der biedere Lüster, an dem die Spinnweben lange Fäden zogen, die schäbige Couch, auf der er gerade lag, und der Flickenteppich, mit dem Carlo und er vor einigen Jahren den unansehnlichen Terrakottaboden bedeckt hatten. Sein Blick fiel auf das längst aus der Mode gekommene Sideboard. Sie hatten es auf dem Flohmarkt gekauft, weil für etwas Besseres das Geld nicht gereicht hatte. Und dann seine Arbeitsecke; sie war nicht mehr als eine Sperrholzplatte auf zwei Holzböcken, die aber ihren Zweck erfüllte. All das kam ihm plötzlich erbärmlich vor.
    Was ihm bis vor wenigen Stunden völlig ausreichend erschien, ausreichend um zu leben, zu arbeiten und sich wohl zu fühlen, zeigte sich ihm nun in neuem Licht. Er wagte sich nicht vorzustellen, wie Rosanna reagieren würde, sollte sie je ihren Fuß über die Schwelle dieser Wohnung setzen. Das durfte niemals geschehen.
    Vor Cardones geistigem Auge zogen mit einem Male Bilder der weiten Welt vorüber. Unvermittelt beschlich ihn die verführerische Sehnsucht nach einem anderen Leben, nach exotischen Eindrücken, unbeschwert und sorgenfrei. Oh ja, er hatte schon ungefähre Vorstellungen, wie er sein neues Leben gestalten könnte. Einen neuen Wagen würde er sich jedenfalls bald zulegen. Seinen alten Computer würde er gegen einen modernen austauschen, und sein Zimmer würde er ganz nach seinem Geschmack einrichten. Nach und nach erwachten in ihm beängstigende Wünsche, die er früher, der Not gehorchend, erstickt hatte und von denen er sich später einredete, dass sie überflüssig waren. Und nun …? Nun war scheinbar alles möglich, er brauchte nur zuzugreifen.
    Enricos Brief, Senna, Pantrini und deren auffälliges Benehmen drängten sich zwischen seine Gedanken. Mit dem Verkauf der Häuser und dem Konto in Verbania waren seine Wünsche zu realisieren, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Was ihn in Antigua erwartete, darüber wagte er kaum nachzudenken. Nichtsdestoweniger hatte er den festen Entschluss gefasst, das Geheimnis seines Bruders aufzudecken, obwohl ihn irgendetwas in seinem Inneren warnte. Er schob diese Intuition beiseite. Er musste in die Karibik reisen, und das Notizbuch im Bankschließfach würde seine Fragen beantworten. Egal, was er zu entdecken fürchtete, er musste es einfach tun.
    Aus welchen Quellen das Geld auf Antigua auch immer stammte, was sprach dagegen, es zu behalten? Kein Mensch würde davon erfahren. Was hatte er mit den Geschäften seines Bruders zu tun? Das Finanzamt würde sich nicht für ihn interessieren, denn so wie die Dinge lagen, hatte Enrico das Geld unbemerkt im Ausland angelegt und wohl auch dafür gesorgt, dass niemand etwas davon wusste.
    War es unmoralisch, Wünsche zu haben? Cardone schreckte vor seinen Träumen zurück, die ihn zu überfluten drohten. Es war sinnlos, sich gegen das aufzubäumen, was sich in seiner Seele breitmachte. Wenn er ehrlich zu sich selber sein wollte, musste er zugeben, dass ihm Enricos Brief wie ein gefräßiges Monster im Nacken saß: Moral war eine Hure, für Geld machte sie alles. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte, sie passte sich jeder Situation an. Ob er Rosanna dazu überreden konnte, mit ihm in die Karibik zu fliegen? So, wie er sie einschätzte, würde sie wahrscheinlich nur nachsichtig lächeln, ihn vielleicht sogar auslachen. Es war im Augenblick besser, nicht mehr darüber nachzudenken.

    Carlo stand plötzlich mit einem Brief vor ihm und weckte ihn aus seinen Tagträumen. »Ich würde eine Menge dafür geben, deine Gedanken zu lesen.« Er lachte, doch in seinem Blick lag Besorgnis. Es schien, als habe er in die Seele seines Freundes geschaut. »Du solltest weniger über deine neue Eroberung

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