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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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»Suchst du etwas?«
    »Ja, eine Telefonnummer. Ich muss dringend telefonieren!«
    Cardone kletterte die schmale Treppe nach unten in die Wohnung. An der Garderobe hing besagte Jacke. Er fand die zerknitterte Karte in der Innentasche. Zum ersten Mal warf er einen genauen Blick auf das teuere Papier. In schön geschwungen Schriftzügen las er: »Rosanna Lorano, Mobil 0713 – 2 17 45 88 «. Keine Adresse, kein Beruf, nur diese Nummer. Er erinnerte sich, dass er Rosanna auch nicht gefragt hatte, ob sie überhaupt in Bologna lebte. Spontan ging er in sein Zimmer, holte sein Handy und wählte ihre Nummer. Nach dem vierten Rufton hörte er Rosannas warme Stimme.
    »Cardone«, meldete er sich und spürte sofort, wie ihn leise Erregung befiel. »Der Schriftsteller … Erinnern Sie sich? Wir saßen vor dem Palazzo die Bianchi …«
    »Ach, Sie sind es, Roberto! Wie schön, dass Sie sich doch noch haben durchringen können mich anzurufen. Ich dachte, Sie haben mich vergessen.«
    Rosannas Worte riefen ein Wetterleuchten in seiner Seele hervor. Nicht einmal seinen Vornamen hatte sie vergessen. »Wie können Sie so etwas nur denken!«, entgegnete er aufatmend. »Ich habe Ihnen versprochen, dass ich anrufen werde.«
    »Sie sind damals so plötzlich aufgebrochen. Aber ich habe Ihnen verziehen.« Rosannas helles Lachen verzauberte ihn auf der Stelle.
    »Ich weiß, ich weiß … Es tut mir leid. Aber es ist etwas Schreckliches passiert. Ich war ein paar Tage unterwegs und konnte mich nicht melden.« Roberto stockte. Der Schock saß ihm immer noch tief in den Knochen und machte ihm mehr zu schaffen, als er sich eingestehen wollte. Rosanna sagte nichts. Er hörte nur ihren ruhigen Atem. »Mein Bruder ist umgebracht worden. Sie haben es im Fernsehen gezeigt … Vielleicht haben Sie es …«
    Ein Aufschrei am anderen Ende der Leitung.
»Madonna, è dura! Santo cielo!
Das war Ihr Bruder?« Sie schien völlig niedergeschmettert zu sein. Offenkundig wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Erst nach wenigen Sekunden sprach sie leise weiter. »Ich habe es gesehen.
Le mie sentite condiglianze!
Ganz Italien spricht davon. Sie haben mein ganzes Mitgefühl! Ich danke Ihnen, dass Sie mir Bescheid gegeben haben. Sicher haben Sie nun viel um die Ohren. Rufen Sie mich an, wenn Sie das Schlimmste überstanden haben und es Ihnen wieder bessergeht!«
    »Grazie«,
antwortete Cardone. Ihre warme, einfühlsame Stimme tat ihm gut. »Es geht mir schon besser.« Er wollte keinesfalls den Eindruck eines Mannes erwecken, der nicht auch mit schwierigen Situationen und Schicksalsschlägen fertig wird. »Wie sagt man?«, fügte er gequält hinzu: »Das Leben geht weiter.«
    Vielleicht unter völlig neuen Bedingungen, ging es ihm durch den Kopf, und er hatte das Gefühl, als habe sich zwischen ihm und Rosanna unvermittelt eine besonders intensive Nähe aufgebaut.
    »Eigentlich rufe ich an«, fuhr er fort, »weil ich mich mit Ihnen verabreden wollte. Es wäre schön, wenn ich Sie zum Essen einladen dürfte.«
    »Wirklich?« Rosannas Stimme klang überrascht.
    »Würde es Ihnen morgen Abend passen?« Dieses Mal gelang ihm ein leichterer Ton. »Ich hätte Ihnen so viel zu sagen.«
    »Sehr gerne, Roberto. Aber sind Sie sicher, dass Sie in der Verfassung sind, mit mir auszugehen? Ich wäre nicht böse, wenn wir unsere Begegnung später nachholten.«
    Wie aus dem Nichts spürte er eine große Sehnsucht, sie sofort zu sehen. »Kommt nicht in Frage«, widersprach er energisch. »Ich will Sie unbedingt treffen.«
    »Aber nur, wenn Sie sich wirklich gut fühlen. Offen gestanden hätte ich ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken, dass Sie mir nur einen Gefallen tun wollen.«
    »Unsinn!«, widersprach er erneut. »
Sie
tun
mir
einen Gefallen. Außerdem brauche ich andere Eindrücke, ein paar Stunden, in denen ich andere Gesichter sehe und ich mich ein wenig ablenken kann. Ich kenne niemanden, mit dem ich jetzt lieber zusammen wäre. Die letzten Tage waren für mich schlimm genug.«
    »Danke für das wunderschöne Kompliment«, hauchte sie ins Telefon. »Ich habe unsere Begegnung damals auch sehr genossen. Hoffentlich sitzen Sie nicht schweigend am Tisch und leiden unter Appetitlosigkeit. Das würde ich nämlich sehr bedauern.«
    »Das werde ich ganz bestimmt nicht. Aber es gibt noch einen Grund, weshalb ich Sie so bald wie möglich treffen möchte. Ich werde in den nächsten Tagen verreisen und kann Sie dann eine ganze Weile nicht sehen.«
    »Sie machen mich neugierig,

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