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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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Ständen vorbeitreiben. Hier konnten Hausfrauen frisch gekochte Kartoffeln und Artischocken mit nach Hause nehmen. Es gab
estratto di pomodoro
– Tomatenmark –, wilden Fenchel, Rosinen,
pinoli
, Peperoni und Olivenöl. An einem Stand kochte ein Händler frischen
polpo
und servierte den Passanten den Oktopus mit Zitrone. Gegenüber hantierte schwitzend ein Mann, auf dessen Holzkohlengrill Lammkoteletts, Schweinebauch und
coratelle
brutzelten.
    D’Aventura verspürte plötzlich Hunger, als der würzige Duft in seine Nase stieg. Seit dem Vormittag hatte er keinen Bissen mehr zu sich genommen. Er schlenderte weiter und probierte an der Auslage einer Osteria
sarde a beccaficu
, Sardinenröllchen, gefüllt mit wildem Fenchelgrün, Ingwer, Pinienkernen und in Öl gebratenen Brotkrumen. Dazu genehmigte er sich einen Schluck
zibbibo di pantelleria
, einen Süßwein aus getrockneten Trauben. Er hätte noch Stunden hier verbringen können, ohne sich auch nur einen Moment zu langweilen. Früher war er öfter mit seiner Frau hier gewesen. Verliebt hatten sie in aller Frühe den Markt durchstreift, während noch alles ruhig war und das weiße Morgenlicht nach bröckelnden Fassaden, zersprungenen Gipsmadonnen und baumelnden Rinderköpfen griff. Eine schöne Erinnerung! Doch das war lange her. Er lächelte in sich hinein. Der Ballarò war eine Pracht, und d’Aventura war, als ginge er in einem opulenten Gemälde eines alten Meisters spazieren.
    Gemächlich bummelte er weiter, vorbei an dichtgedrängten Menschentrauben vor den Marktständen, vorbei an Hausfrauen, die kennerisch Innereien begutachteten. Mitten in einem schmalen Durchgang waren Tische aufgebaut, an denen man für ein paar Euro frittierte Milz, Kichererbsenfladen und Reisbällchen essen konnte, eine Versuchung, der d’Aventura nicht widerstehen konnte.
    Nachdem er sich gestärkt hatte, machte er sich auf den Weg durch das enge Häuserlabyrinth des geschundenen Stadtteils, ein unüberschaubares Durcheinander von engen Gassen, brüchigen Mauern, und bröckelnden Balkonen, Stiegenabsätzen und Hinterhöfen. Es war der übelriechende Stadtteil, in dem sich Wahnsinn, Fieber, giftiger Schaum und die mörderische Wut wie ein Borkenkäfer unter der Rinde eines sterbenden Baumes eingenistet hatten. Tod und Not hatten hier die gleiche Adresse.
    Vor wenigen Wochen glich dieses Viertel einem Schlachthaus. Das rumorende Gassenverlies Palermos war zur Fleischerei geworden, voll von Blutlachen und roten Rinnsalen, abgedeckt mit alten Zeitungen und schmutzigen Leintüchern.
    Seit Jahresbeginn hatte es hier mehr als siebzig Tote gegeben, ermordet, Hände und Füße aneinandergefesselt, wie man es mit den Zicklein auf dem Markt machte, erstickt, geköpft, entmannt, in schwarze Plastiksäcke gepackt, in Kofferräume gepfercht.
    Unwillkürlich drängte sich d’Aventura der Gedanke auf, alles hinzuwerfen. Es war nicht das erste Mal, dass er diesen Wunsch nach Veränderung spürte.
»Money talks«,
hatte ihm augenzwinkernd eine amerikanische Touristin gesagt und damit aus Palermo und der Mafia ganz pragmatisch eine simple Gleichung gemacht. Aber sie irrte! Geld
sprach
in Palermo nicht, es versickerte lautlos, und es wurde schweigend von allen entrichtet, die in ihren Läden einen störungsfreien Geschäftsalltag haben wollten. Aber dieser Ausspruch hatte ihn aufgerüttelt und in den Zustand zurückversetzt, in dem er sich vor vielen Jahren voll innerer Überzeugung dem Kampf gegen die Mafia verschrieben hatte.

    Es waren noch etwa zweihundert Meter, die d’Aventura bis zum Tatort zu gehen hatte. Hier in einem Quartier der Ruinen und des Zerfalls, gab es kein Menschengewimmel, keine lauten Stimmen und bunten Farben, die von den stinkenden Abfällen ablenken konnten. Er beschleunigte seine Schritte. Trotz der angenehmen Temperatur fröstelte er. Er ging vorbei an Fassaden, die blatternarbig entstellt waren, über verspielte Treppchen, passierte die blinden Fenster unbewohnter Häuser und durchschritt Torgewölbe und Durchgänge, deren Tuffsteinmauern klaffende Risse aufwiesen und sich in einem jammervollen Zustand zeigten.
    Dort, wo die Häuser eingestürzt oder verlassen waren, hatten städtische Bulldozer die Reste eingeebnet, Löcher in das Straßengewirr gerissen und große Flächen von Erdaushub mit Kalk abgedeckt und mit Mauern umschlossen. Hinter diesen Mauern türmten sich die Abfälle des Marktes und der Einwohner sowie die Knochenreste der Metzgereien. Tagsüber spielten dort

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