Mala Vita
holte tief Luft und schien die richtigen Worte zu suchen. »
Guarda!
Was soll ich sagen? Sie ist … Ach, eigentlich kann man sie nicht beschreiben! Sie ist eine Schönheit, eine Göttin! Wenn du mich fragst, man müsste einen Planeten nach ihr benennen. Du würdest mir sofort zustimmen, wenn du sie sehen könntest. Klug, intelligent, charmant …«
»
Caro cielo,
Roberto!« Carlo lachte amüsiert. »Klug, intelligent … Man beachte den erotischen Subtext!
Dio mio
, Roberto, schöne Frauen haben seit undenklichen Zeiten das Vorrecht, dumm sein zu dürfen. Und jetzt bringst du auch noch eine an, die klug ist. Solche Frauen machen mich extrem misstrauisch.«
»Musst du immer alles schlechtmachen, Carlo?
Madonna
, du kannst es mir glauben! Sie ist einmalig, wahnsinnig sexy, sie hat Feuer und Esprit! Ich habe noch nie zuvor eine solche Schönheit getroffen. Wir haben uns für morgen Abend verabredet und wollen Essen gehen.«
Carlo hatte seinem Freund mit ungläubigem Staunen zugehört. »Ich habe dich noch nie so euphorisch über eine Frau reden hören«, bekannte er und schüttelte lachend den Kopf. »Ich hoffe nur, dass deine Venus nicht partiell aus Plastik ist!«
»Sie ist nicht der Typ, der zu Schönheitschirurgen geht. Das hat sie nicht nötig«, entgegnete Cardone energisch.
Unvermittelt sprang Carlo auf einen Stuhl, machte eine Verbeugung, als stünde er auf einer Theaterbühne und legte seine Hand aufs Herz. »Die Liebe ist der Quell der Begeisterung, der Jugend, der Heldentaten, der Religionen. Sie verlangt nicht nach Opfern. Sie verlangt nach dem Schönen und dem Wahren, frei von Silikon und Hyaluronsäure.«
»Blödmann!«, schnauzte Cardone. »Das, was du bislang nach Hause geschleppt hast, war jedenfalls selten das Gelbe vom Ei. Ich erinnere dich an deine Letzte, wie hieß sie doch gleich?«
»Vanessa.«
»Stimmt, die mit dem gebärfreudigen Becken!«
»Ich mag es eben etwas breiter«, antwortete Carlo und pfiff genießerisch durch die Zähne.
Cardone schüttelte missbilligend den Kopf.
»Ich weiß, du magst mehr die Marke Kleiderständer.«
»Jetzt mal im Ernst! Was meinst du?« Cardone blickte seinen Freund fragend an. »In welches Restaurant könnte ich mit ihr gehen? Du weißt doch immer so gut Bescheid, welche Küche in Bologna gerade en vouge ist. Ich kann Rosanna nicht in irgendein gewöhnliches Lokal ausführen.«
Carlos Mund stand vor Staunen offen. »Sieh an! Die Dame ohne Herkunft und Alter ist auch noch anspruchsvoll!« Er rollte die Augen in Richtung Decke. »Einer, der mich nähme, den könnte ich nicht nehmen, ich stell höhere Ansprüche. Ist es so eine?«
»
Porca miseria!
Musst du immer alles ins Lächerliche ziehen? Ich will mit ihr einen schönen Abend verbringen, das ist alles!
Capisci?
«
»Scusa«,
murmelte Carlo. »Ich wollte dich nicht kränken. Es ist einfach nur überraschend, dass du ausgerechnet jetzt damit kommst, so knapp nach dem Tod deines Bruders.«
Cardones Miene wurde grüblerisch. »Es ist einfach passiert. Ist es nicht ein Irrsinn? Ich beklage den Tod meines Bruders, erbe zwei Häuser und ein Bankkonto auf Antigua und treffe beinahe zeitgleich auf die Frau meines Lebens.«
Carlo schaute ebenso entgeistert wie verwundert. »Erlaube, Roberto! Ich missbrauche die Intention meines Poems ›Die Göttliche Fügung‹.« Dann rezitierte er mit übertriebenem Pathos aus seinem Werk: »Manche Dinge bleiben immer wahr. Leben und Tod. Erde und Himmel, Reichtum und Armut. Die Geschenke der Göttin: Intuition und Liebe, Sehnsucht und Erfüllung.«
Cardone hatte sich auf die Couch geworfen und blickte gedankenverloren an die Decke. Tatsächlich, dachte er, Carlos lyrischer Ausflug klingt plötzlich gar nicht mehr so abgehoben wie sonst. Welch eine Fügung! Ein verwegener Gedanke schlich sich in seine Überlegungen und nahm mehr und mehr von ihm Besitz. Vielleicht könnte er Rosanna das Leben bieten, das ihr zustand? Sie würde ihn mit völlig anderen Augen sehen, wenn er ihr erst einmal eröffnete, dass sie nicht den armen Mann vor sich hatte, den sie in der Cafébar kennengelernt hatte. Mit einem Male eröffneten sich für Roberto Perspektiven, an die zu denken er noch vor ein paar Tagen weit von sich gewiesen hätte. Reichtum und Moral vertrugen sich einfach nicht. Das war bislang seine unumstößliche Überzeugung. Und nun?
Sein Bruder hatte ihm einmal gesagt, mit dem Geld sei es wie mit den Frauen: Um es zu behalten, müsse man sich darum kümmern. Er hatte
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