Mala Vita
entdeckten unter ihnen einige gute Bekannte, darunter den stellvertretenden Verteidigungsminister, zwei Staatssekretäre mit einigen Abgeordneten der Vereinigten Rechten sowie den Questore Minetti nebst Gattin. Einige Industrielle mit zu jungen und zu blonden Begleiterinnen schienen sich bei Champagner und Kaviar bestens zu amüsieren, während ein paar Meter von den Paten entfernt ein Tablett mit Cocktails über den Köpfen der Gäste schwebte. Bei ihrem Rundgang erblickten sie den Carabinieregeneral Luigi Ponti, der sich mit einem hochangesehenen Richter aus Neapel und zwei bildhübschen Damen zweifelhaften Rufes unterhielt. Gerade wollten die beiden Paten sich zu der Gruppe gesellen, als jemand Don Santo von hinten auf die Schulter tippte.
Er drehte sich um. Oberst Gianni Fessoni stand lächelnd mit einem Glas Whiskey vor ihm. »Das ist eine Überraschung, verehrter Santorini! Ich wusste nicht, dass Sie auch eingeladen sind. Sind Sie mit Signor Grasso schon länger bekannt?«
Verblüfft suchte Don Santo nach Worten, während er den elegant gekleideten Offizier musterte. Die arroganten Gesichtszüge, das überhebliche Grinsen und die herablassende Gestik des jugendlich wirkenden Mannes waren ihm in unangenehmer Erinnerung geblieben. Vor ihm stand, davon war er schon nach der ersten Begegnung überzeugt gewesen, ein
pezzonovante
, ein anmaßender Idiot, der auf Kosten anderer Karriere gemacht hatte.
»Äh …, wie meinen Sie denn das, Signore …?«, antwortete Don Santo lahm.
»Erinnern Sie sich nicht?«, fragte der Offizier mit herausfordernder Miene und klopfte Don Santo jovial auf die Schulter. »Mein Name ist Fessoni. Wir sind uns bei einer Gala in Rom begegnet. Wo Sie sind, kann Signor Massimo nicht weit sein.«
Don Santo versuchte ein Lächeln aufzusetzen, das aber eher an einen bissigen Bullterrier erinnerte als an eine verbindliche Geste. Er deutete mit dem Daumen hinter sich.
Don Massimo schien seinen Namen gehört zu haben und kam zu den beiden. »Ach! Signor Colonnello«, brachte er mühsam über die Lippen. »Ich bin immer irgendwo in der Nähe.«
»Keinen Titel!«, wies ihn Oberst Fessoni mit gesenkter Stimme zurecht und blinzelte dabei konspirativ. »Ich bin heute Abend sozusagen inkognito hier, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Don Santo schaute den Oberst lange an und ließ seinen Blick mit einem Ausdruck der Verwunderung in der Runde schweifen, ehe er antwortete. »Aha!
Incognito, ergo sum
. Hier auf dem Schiff geht das den meisten so, nicht wahr? Wir möchten alle gerne sehr berühmt sein, aber unerkannt bleiben. Sie sind heute zum ersten Mal an Bord der ›Alexandra‹, nicht wahr?«
Colonnello Fessoni nickte. »Signor Grasso hat mich um ein vertrauliches Gespräch gebeten. Ich hatte keine Ahnung, dass auf dem Schiff eine Veranstaltung stattfinden würde. Es ist mir ein wenig unangenehm.«
»Quatsch«, mischte sich Massimo ein. »Sie sind unter Freunden, mein Lieber!«
»Das jährliche Sommernachtsfest«, ergänzte Santorini mit ausdrucksloser Miene und musterte die anderen Gäste, als sei der Oberst gar nicht anwesend. Wie beiläufig richtete er eine Frage an ihn: »Haben Sie sich bei all diesen wichtigen Menschen bekannt gemacht?«
»Das war nicht notwendig. Ich kenne die meisten. Mit einigen Herrschaften bin ich ständig in Kontakt.« Er lächelte selbstherrlich und prostete den beiden Paten zu.
»Dann haben Sie sicher herausgefunden, dass wir uns heute in Gesellschaft der Spitzenneurotiker unseres Landes befinden«, sagte Massimo mit zynischem Grinsen. »Wir sollten sie entsprechend bewundern. Also tun Sie ihnen den Gefallen! Sie entschuldigen mich.«
Don Massimo drängte seinen Freund weiter und ließ den brüskierten Oberst stehen. Sie nahmen die Richtung zur Tür im vorderen Teil der »Alexandra«, die auf der Backbordseite zur Treppe zum Oberdeck führte. Oben befanden sich Don Grassos Privaträume. Sie hofften, ihn allein anzutreffen. Das, was sie ihm zu sagen hatten, war für fremde Ohren nicht geeignet.
Als sie gerade die Stufen hinaufgehen wollten, kam ihnen der Don in Begleitung dreier Leibwächter entgegen. Der
Capo di tutti i Capi
, Don Romano Grasso, im weißen Smoking mit roter Fliege, imposant und herrisch. Der Boss der Cupola strahlte nicht nur aufgrund seiner Köpergröße von nahezu zwei Metern Macht und Durchsetzungsvermögen aus. Er beherrschte ganze Räume, sobald er sie betrat. Seine Bewegungen glichen denen einer leichtfüßigen Raubkatze, die sich
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