Mala Vita
ihrer Stärke und ihrer Überlegenheit bewusst ist. Trotz seiner fünfzig Jahre war Don Grasso körperlich durchtrainiert. Sein schmales, intelligentes Gesicht und seine dichten schwarzen Haare, die an den Schläfen silbergrau waren, gaben ihm den Nimbus unangreifbarer Seriosität und starker Willenskraft. Er war zweifellos eine Persönlichkeit, der jedermann natürlichen Respekt zollte.
»Da seid ihr ja! Ich habe euch erwartet«, begrüßte der Patrone die beiden und reichte ihnen die Hand. Sein wachsamer Blick wechselte blitzschnell zwischen den zweien hin und her. »Was ist mit euch los?« Er lächelte. »Ihr seht aus, als hätte man euch die Brieftasche gestohlen.« Er gab Don Massimo einen vertraulichen Schlag auf den Oberarm, deutete in Richtung des Salons und wollte die beiden zur Tür schieben. »Hattet ihr eine gute Fahrt?«
Santorini räusperte sich und krächzte ein leises:
»Si, securo.«
Dann nahm er sich ein Herz. »Auf ein Wort! Wir müssen mit dir sprechen! Allein … Es ist dringend!«
Grasso schaute die beiden überrascht an. »Wir sehen uns doch später im internen Kreis. Hat es nicht so lange Zeit?«
Santorini schüttelte den Kopf.
Don Grasso blickte seinen Geschäftspartner ruhig an. Nur die Mundwinkel zuckten leicht, was ein Anzeichen von Missfallen war. Die beiden Paten kannten ihn gut genug, um zu wissen, was dieses Zucken zu bedeuten hatte. Und ihre Nachrichten waren alles andere als gut.
»Kommt mit!«, sagte Grasso, drehte sich um und stieg wieder hinauf zum Oberdeck. »Ihr auch!«, befahl er seinen Leibwächtern, die abwartend hinter ihm auf dem Treppenabsatz standen.
Die Männer betraten Grassos Allerheiligstes, den Kommandostand, wie er sein Arbeitszimmer nannte. Die wertvollen Möbel aus hellen Wurzelhölzern, der Mahagoniboden und die Messingbeschläge an Türen und Fenstern harmonierten mit dem warmen Rotbraun eines persischen Gabbeh-Teppichs, der etwa zwei Drittel des Fußbodens bedeckte. Der Raum war mit modernster Kommunikationstechnik ausgestattet, die schnelle Verbindungen in alle Welt ermöglichte. Im großzügigen Büro, das mehr Ähnlichkeit mit einem gemütlichen Salon als mit einem Arbeitszimmer hatte, standen neben dem Schreibtisch mit edlem Büffelleder überzogene Polstermöbel. Im Hintergrund befand sich eine gutgefüllte Bar, die jedem Nobelrestaurant zur Ehre gereicht hätte.
»Setzen wir uns dort drüben!«, lud Grasso seine Besucher mit einer knappen Handbewegung ein und nahm an der Stirnseite eines ovalen Tisches Platz. Von dort hatte er nicht nur die Tür, sondern auch die breite Glasfront im Blick. Die gläserne Schiebetür führte zu einem Außendeck und zum Pool, um den sich Liegestühle und Tische gruppierten. »Wenn du dich kurz fassen würdest, wäre es mir angenehm.« Grasso schaute unverwandt Don Massimo an, der sich schwer in einem der Sessel niederließ.
»Es geht um die Transaktion des Rizzolo-Kapitals«, begann Letzterer mit dem Blick auf die Leibwächter, die sich im Hintergrund hielten und so taten, als würden sie weghören.
»Was ist damit?«, fragte Don Grasso, schlug die Beine übereinander und zündete sich eine Zigarre an. »Meine Männer sind taub«, fügte er hinzu, als er den zögerlichen Gesichtsausdruck Massimos bemerkte. Genüsslich blies er den Rauch in die Luft.
»Cardone, das Schwein …«, übernahm Santorini das Wort.
»Was ist mit ihm? Die Sache ist doch erledigt, soweit ich das aus den Medien entnehmen konnte.« Die Bemerkung war nicht ohne eine gewisse Schärfe gefallen.
Santorini nickte eilig. »Das schon, Romano. Aber er hat die Konten der Rizzolo Venture Capital geplündert. Ruffo und Gallerte haben vor wenigen Minuten aus Vanuatu angerufen. Sie sagen, dass Geoffrey Gee & Partners die Anweisung erhalten hätten, das Geld auf die International Bank of Antigua zu überweisen. Im Anschluss habe Cardone die Rizzolo Venture Capital aufgelöst.«
Dieses Mal zuckten Grassos Mundwinkel unübersehbar. »Mit anderen Worten, wir können uns heute Abend die Beiratssitzung der Dreizehn sparen?«
»Wenn du es so sehen willst …«, begann Santorini verlegen, wurde aber sofort von Don Grasso unterbrochen.
»Wer ist der neue Kontoinhaber?«, erkundigte sich der Patrone mit gepresster Stimme. Die ansonsten so hart gesottenen Paten zuckten zusammen. »Ich kann es mir zwar denken«, fuhr Grasso ironisch fort, »aber ich will es von dir hören, Bettino.«
Santorinis Gesicht hatte eine aschfahle Färbung angenommen. Schweißperlen
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