Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
sie doch meist gerade denen, deren Leben über Nacht auf den Kopf gestellt worden war. Selbst wenn unter ihr die Erde beben sollte, würde sie diese Stöße einfach ignorieren; Opfer zu sein kam für sie keinesfalls infrage. Statt ihre Energie mit Jammern und Trübsal zu vergeuden, blickte sie lieber in die Zukunft, egal, welche Hindernisse dort auf sie warteten. Nichts und niemand konnte sich ihr in den Weg stellen.
Ein alter, metallicgrauer R5 hielt neben ihr an; darin saßen zwei Jungs aus ihrer Schule, die Belles Aufmerksamkeit erregen wollten. Es handelte sich um die Tennisspieler aus der Abi-Klasse, die schon am Nachmittag von Belles rotem BH so fasziniert gewesen waren, dass sie sich in den Kopf gesetzt hatten, die Neue willkommen zu heißen und ihr die Stadt zu zeigen.
»Danke, Jungs. Kein Bedarf«, sagte sie und setzte ihren Nachhauseweg fort.
Es gefiel ihr, schon am ersten Schultag angebaggert zu werden. Dabei hatte sie keinerlei Bestätigung nötig, was ihren Charme betraf. Er funktionierte immer, schon seit dem Tag ihrer Geburt. Ihre Eltern hatten sie »Belle« genannt, ohne zu ahnen, wie richtig sie damit lagen. Aber was versprach dieses kleine Wort nicht alles! Zu diesem Zeitpunkt hatten Maggie und Fred nicht vorhersehen können, dass dieser Vorname in Frankreich für ihr Kind einmal zu einem Problem werden könnte. Damals wussten sie noch nicht einmal, wo Frankreich überhaupt lag.
» Oh, please, please, Miss America! «
Die beiden brachten sie aus dem Konzept, und auf einmal war sie nicht mehr ganz sicher, welches die richtige Straße nach Hause war.
»Wo wohnst du?«
»Rue des Favorites.«
»Das liegt auf unserem Weg! Steig ein, wir bringen dich nach Hause.«
Belle ließ sich überreden und stieg hinten ein. Den Jungs verschlug es die Sprache, mit dieser plötzlichen Kehrtwende hatten sie nicht gerechnet. Vielleicht war dieses Mädchen weniger unnahbar als die anderen, draufgängerischer. Die Amerikaner waren ja immer der Zeit voraus, vor allem, was die Sitten betraf. Die zwei sahen sich verstohlen an und erlaubten sich zu träumen.
»Sagt mal, ihr beiden. Machen wir einen Umweg?«
Statt zu antworten, bombardierten sie Belle mit tausend Fragen über ihre Vergangenheit. Sie waren im Gegensatz zu ihr nervös und redeten ohne Unterlass, damit nur ja keine peinlichen Pausen entstanden. Sie gaben sich als coole Typen und erfahrene Männer; eine Kinderei, die Belle sehr amüsierte. Am Rand des Waldes von Vignolet, bei der Bundesstraße, die in die Bretagne führte, verlangsamte der R5 seine Fahrt.
»Warum halten wir?«, fragte sie.
Inzwischen war es dunkel geworden. Die beiden Schüler schwiegen plötzlich auf beunruhigende Weise. Belle bat die zwei ein letztes Mal, sie nach Hause zu fahren. Doch die stiegen aus und wechselten leise ein paar Worte. Mit ein bisschen Glück brauchten sie sich nicht groß anzustrengen, und alles liefe wie im Film; ein Kuss, ein bisschen anfassen, warum nicht, einfach mal ausprobieren. Und falls sie sich blöd anstellten, könnten sie einen auf unschuldig machen. Belle dachte derweil an das, was sie zu Hause noch zu erledigen hatte: Sie musste die Formulare für die Schulanmeldung ausfüllen, ihren Stundenplan ins Reine schreiben, ihn mit dem ihres Bruders vergleichen, ihre Schulbücher beschriften und aufschreiben, was alles noch fehlte. Das würde ein langer Abend werden. Die Arme verschränkt, den Rücken an die Wagentür gelehnt, wartete sie darauf, dass eine der beiden Dumpfbacken endlich begriff, dass ihr Ausflug beendet war. Doch bevor sie sich endgültig geschlagen gaben, machten die beiden einen letzten Annäherungsversuch; einer traute sich, eine Hand auf Belles Schulter zu legen. Die seufzte entnervt, schnappte sich den Tennisschläger, der auf dem Rücksitz lag, und zertrümmerte mit einer perfekten Vorhand den Schlägerrahmen auf der Nase des Aufdringlicheren von beiden. Der andere, verängstigt durch den plötzlichen Gewaltausbruch, wich ein paar Schritte zurück, zu wenig, um Belles Rückhandvolley ausweichen zu können, der beinahe sein rechtes Ohr gekostet hätte. Kaum waren beide mit blutverschmierten Gesichtern zu Boden gesunken, kniete Belle nieder, um mit dem fachmännischen Blick einer Krankenschwester ihre Verletzungen zu begutachten. Sie hatte ihr unschuldiges Lächeln und ihr Wohlwollen der Menschheit gegenüber wiedergefunden, stieg in den Wagen und wandte sich ein letztes Mal ihren beiden Verehrern zu. »Jungs, wenn ihr euch so anstellt,
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