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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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hatten daran gezweifelt, daß ihre Kirina schon wisse, was sie tue. — Und so war es denn geschehen. Doch nun saß sie fest, wenn auch in einer freilich recht zweifelhaften Sicherheit. Denn die Leiter zum oberen Stockwerk des Tschardaks hatte sie beim Überfall von Osmans Leuten geistesgegenwärtig heraufgezogen. Dort oben hockte sie nun ganz allein im Mittelpunkt allen Lärmens und wäre gern wieder in Jarhissar gewesen.
    Aber sie war es nicht. Und was den Lärm anlangte, so übertönte ihn jetzt eine gebietende Stimme.
    »Lösegeld! Lösegeld!« schrie Osman. Zurufe aus den Reihen der Bestürmten hatten ihn nämlich bedenklich gemacht.
    Auch ließ er sich keineswegs zu früh vernehmen, da bereits eine Anzahl seiner Söldner im besten Zuge war, sich für ihre Bemühungen an den gefangenen Mägden schadlos zu halten. Der Ruf »Lösegeld« bedeutete nämlich, daß der Soldherr die Preisgabe der Frauen widerrufe und seinen Leuten dafür eine bare Entschädigung zusichere. So schätzbar das Gebot den Sipahis auch in einer ruhigeren Stunde erschienen wäre - jetzt mußte es mehrere Male wiederholt und bei einigen durch Peitschenhiebe bekräftigt werden. So leicht ließ sich der kriegerische Eifer, einmal entfacht, nicht stillen.
    »Lösegeld, mein Bey?« ließ sich ein Vorlauter vernehmen. »Wer zahlt es? Die da sehen nicht danach aus . . .«
    »Gehorsam oder deinen Kopf!« schmetterte Osman dem Frechen zurück. »Treibt sie hier zusammen, Männer und Weiber, mit der Klinge, wenn sie es nicht anders wollen, aber mit der flachen! Euer Geld bekommt ihr. Wenn kein anderer, zahle ich!«
    Damit warf er auch schon den Kopf zurück. Hatte nicht jemand von oben »Großmaul« heruntergerufen?
    Oh, ungeheure Frechheit!
    Keineswegs täuschte er sich, und nicht einmal er allein hatte es gehört. Schon sah er auf einigen Gesichtern ein Grinsen, was seine Laune nicht besserte.
    »Warum steht ihr hier noch herum?« ärgerte er sich. »Da unten ist Platz genug. Treibt sie dorthin.«
    »Die Gefangenen sind Leute Kir Davids von Jarhissar«, meldete der junge Chalil.
    »Weiß ich selbst. Wenn es Pack aus dem Byzantinischen gewesen wäre, hätte ich den Sipahis das Vergnügen nicht vergällt. Kann mich ein schönes Stück Geld kosten, falls Kir David nicht zahlen will, dein heldenhafter Überfall auf Rinder und Weiber! Und jetzt geh auf die andere Seite«, bedeutete er dem Jüngling, als sich die Söldner etwas verzogen hatten. »W r enn das Weibsstück - und es war eins! - drüben auf der Leiter ’runter will, halt es fest, sag’ ich dir!« Osman hätte andere Mittet gehabt, die Unverschämte herunterzuholen. Aber schon dies ganze Scharmützel empfand er als beschämend. Er kenne andere Gefechte und Schlachten! bestärkte er sich. Das asanische Volk habe sich ja kaum gewehrt, und außer ein paar Schrammen sei nichts dabei herausgekommen. Solle man etwa in den christlichen Burgen Spottlieder auf ihn singen, weil er alle seine Knechte gegen eine einzelne Frauenstimme habe stürmen lassen? Da sei Gott vor!
    »Komm herunter, du da oben!« rief er und reckte sich.
    Es war erstaunlich, wie rasch wenige Abende an den Lagerfeuern vermocht hatten, Nilufer alle Spuren einer Damenerziehung abzustreifen. Nur noch die Anführerin ihr wild ergebener Knechte und Mägde war sie jetzt. Worte hatte sie gelernt, die Kira Apollonia nie aus dem Munde der Tochter hätte hören dürfen! Und ihre Taten standen - wie sich jetzt zeigte - diesen Worten in keiner Weise nach. Vorsichtig schielte sie erst über die Brüstung und streckte dann nicht nur den Kopf, sondern auch die Zunge mit einem lauten »Bäh!« in der Richtung des Widersachers heraus.
    Da sich Nilufer nach dieser Heldentat schleunigst wieder in Sicherheit brachte, dauerte der Vorgang nur einen kurzen Augenblick. Allerdings genügte er, um dem Manne Osman die freundliche Gewißheit zu vermitteln, daß es sich bei dem weiblichen Wesen keineswegs um einen reiferen Jahrgang handle.
    »Komm herunter, daß ich dir die Haut über die Ohren ziehe!« stellte er sich gerade darum nur um so grimmiger.
    »Schön dumm wäre ich«, gab sie zurück, »meine Haut kann ich selber brauchen! Behalt du nur deine eigene, die schäbige, für dich ist sie gut genug!«
    Sehr ehrenvoll sei das auch wieder nicht für ihn, mußte er sich eingestehen, und was der Junge, der Chalil, sich nur denken möge, wenn jetzt nicht bald was geschehe.
    »’runter mit dir!« befahl er barsch.
    »Komm herauf, wenn du kannst«, höhnte sie

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