Malchatun
dachte sie, und auf ihre Leute könne sie sich verlassen.
»Du willst mich doch nicht mit dir fortschleppen - in dein schmutziges Zelt?« verwahrte sie sich. »Rühr dich nicht vom Fleck!« rief sie dann, als er eine Bewegung machte. »Setz dich hin, wo du bist!«
»Kann ich ja tun«, meinte er und hockte sich nieder, wobei er mit den Armen seine Knie umschlang. Und eingebildet sei sie wohl nicht ein bißchen? Und für eine Leibeigene kommandiere sie doch recht geläufig. Was aber das schmutzige Zelt anlange ... Habe sie schmutziges Zelt gesagt? - Jawohl, das habe sie.
Nun, da sei es doch gar nicht ausgemacht, ob er sie so ohne weiteres in sein sauberes Zelt lasse. Da stecke er sie wohl lieber erst einmal nackend in die Regentonne . . .
»Nein!« schrie sie.
»Doch!« sagte er, und für so was, was sie meine, dafür sei sie ihm lange nicht hübsch genug.
»Aber geküßt hast du mich . . .?« wurde sie unsicher.
Geküßt! Was das schon sei! Und so im ersten Augenblick habe er sie gar nicht recht angesehen. Denn nachher . . . Na ja, das wisse sie wohl selbst. Und dann habe sie auch gleich zu heulen angefangen. Ein türkisches Mädchen heule nie. Das sei mehr etwas für die Feinen, und eine Leibeigene, die heule
- brrr -, da schüttele er sich nur.
»Ich bin keine Heulkirina.«
Was er gesehen habe, habe er gesehen. Und ob sie überhaupt wisse, was so ein Zelt bedeute? Jeden Tag woanders. Andere
Berge, andere Wiesen, andere Flüsse. Bei Regen sei es nirgends so gemütlich wie in einem richtigen Zelt, und nachts der Sternenhimmel . . . Osman sang sein uraltes Lied von der Steppe.
In Wirklichkeit empfand Nilufer schon eine kleine Verlockung. Aber das hätte sie nie zugegeben. Und er werde sie nicht in sein Zell nehmen und in die Regentonne stecken, sagte sie, er habe ja selbst großmächtig geschrien, daß Lösegeld verlangt werden solle. Sie gehöre Kir David, und der werde für sie und die anderen bezahlen. Er kenne doch Kir David und dessen Frau, Kira Apollonia? Und Kirina Nilufer oder vielmehr Nenuphar, die alles einmal erben werde, den ganzen großen asanischen Besitz - von der müsse er doch auch schon gehört haben . . .?
»Soll eine fade Ziege sein«, sagte er.
Das jedoch war ihr zuviel! An das Lösegeld dachte sie nun nicht mehr.
»Was?!« sprang sie empört auf. »Das sagst du mir ins Gesicht? Weißt du, wer ich bin? Ich selbst bin Kirina Nilufer!«
Hoheitsvoll blickte sie in Erwartung seiner Zerknirschung auf ihn hinab. Aber leider war die Wirkung nur mäßig.
»Dann wirst du uns Geld einbringen«, meinte Osman keineswegs überrascht, »viel Geld, Kirina.«
»Das wird sich noch finden!« sagte sie wütend. »Wenn du wüßtest, was ich weiß, würdest du dich nicht so aufblasen wie ein Frosch. Osman kommt, und der wird dann eure Dickschädel schon zurechtrücken. Es soll euch nur einfallen, frech zu werden!«
»Was du nicht alles weißt!« spöttelte er.
»Er kommt wirklich! selbst kommt Osman«, versicherte sie aber, über so viel Starrsinn voll Wut. »Hat man je einen Mann wie dich gesehen! Um mich und die Mutter und die Ana des Kir Michael auf Besuch nach Karadschahissar zu geleiten, kommt er. - Da staunst du, was?«
»Nicht sehr«, sagte er, indem auch er sich erhob. »Wir sind nämlich Osmans Leute, wenn du es genau wissen willst. Es kann gar nicht lange dauern, bis er selbst hier sein wird. In eigner Person!«
Weit offen blieb ihr der niedliche Mund . . .
»Ihr seid . . .?«
». . . seine Leute«, ergänzte er. »Wenn dein Vater uns Sipahis das Lösegeld nicht zahlt, wird Osman es tun. Kümmere dich nicht darum.«
»Oh, du . . .!«
Ihre Augen sprühten Zorn, wie sie an ihn nun herantrat.
»Was?« tat er harmlos.
»Scheusal!« fauchte sie.
»Aber Nilufer«, lachte er herzlich. »Ein kluges Mädchen wird doch einen Spaß vertragen ?«
»Ich wollte, dich hätte das Butterfaß getroffen - das wäre ein besserer Spaß gewesen.«
»Böse?« schmeichelte er, »wirklich böse, Nilufer?«
»Ausgelacht hast du mich«, grollte sie zwar immer noch -doch nur noch wie ein abziehendes Gewitter.
»Du hast mich doch auch ausgelacht, Nilufer. Sei doch ehrlich, kleine Leibeigene. Ich wollte, du wärst eine und gehörtest mir«, warb er mit einer bestrickenden Begehrlichkeit hinter dem Scherz.
»Vorhin sagtest du, ich sei dir zu häßlich«, schmollte sie.
Nilufer war jung und Osman der erste Mann, von dem sie sich als Frau genommen fühlte - aber auch Osman hatte in ihr, was er brauchte: ein
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