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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Mädchen, das ihn ganz respektlos als ihresgleichen hinnahm, als das, was er sein wollte, eben als jung und nichts als das. »Höre, Kirina«, sagte er, »ich bin so wenig Knecht, wie du Leibeigene bist. Du hast doch wohl schon bemerkt, daß ich bei meinen Leuten einiges gelte?«
    »Gewiß«, gab sie zu, ohne weiter daran zu rühren, daß sie ihn bei jener Gelegenheit Großmaul genannt hatte. Wohl zuckte etwas in ihr, es zu tun - aber dann unterließ sie es doch.
    »Ich bin ein Alp des Osman«, fuhr er fort, »und eine Stadt habe ich auch.«
    »Also ein Tschendereli bist du, aus diesem Inöni?« sagte sie sofort. »Überwältigend soll deine Stadt gerade nicht sein.«
    »Stadt ist Stadt«, meinte er, »und ich erwähnte sie nur, um dir zu zeigen, daß ich ein Adeliger bin, einer von den Aschraf. Da du also nun unter meinem Schutz stehst, könntest du mir eigentlich ruhig gestehen, wie du in diesen Kittel und überhaupt hierhergekommen bist. Meinst du nicht auch?«
    »Ach!« seufzte sie und empfand es wonnevoll, daß ein ausgewachsener Mann, der so wundervoll klettern könne, einen derart großen Anteil an ihrem Schicksal nehme. Sie kargte darum durchaus nicht mit der Darstellung ihrer Leiden und verschwieg keineswegs, daß sie ihren Onkel Salmenikos heiraten solle und wie wenig Beruf sie dazu in sich verspüre.
    Salmenikos also . . . immer wieder Salmenikos . . .<, dachte
    er.
    Dem äußeren Anschein nach war Osman mit dem Herrn von Biledschik befreundet. Aber wenn er auch lange nicht mehr daran erinnert worden war, so hatte er es doch nie ganz verwunden, daß Salmenikos seine, Osmans, Frau einmal nackt gesehen habe. Sogar die Stelle am Pursuk, wo das geschehen sei, hatte Osman, als er zufällig in der Nähe gewesen war, aufgesucht. Selbst Malchatun wußte davon nichts. Die am allerwenigsten. Das Geheimnis dieser fast vergessenen Wunde gehörte ihm allein.
    Doch nun stand da vor ihm ein Mädchen, jung und prächtig geschaffen, die Braut jenes Mannes, der ihm - wie es Osman empfand - schuldig geworden sei. Vieles änderte sich damit. Der Besitz des Mädchens und die Vergeltung an Salmenikos waren nun eins. Was eben noch Tändelei gewesen war, wurde nun Ernst. Was dem strengen Moslem sonst als Schuld erschienen wäre, galt ihm jetzt als Gerechtigkeit. Er habe ein Recht auf Nilufer, wollte es ihn dünken. Selbst seine Gedanken an Malchatun verkrampften seine Gefühle, statt sie zu lösen. Auf eine seltsame Weise schwärte die aufgebrochene Wunde sein Begehren nach Malchatun mit dem nach dem Mädchen zu einem einzigen großen Verlangen zusammen. Diesem Verlangen gab er sich hin.
    Sei Nilufers Leib geheiligter als der Malchatuns? Und könne die Vergeltung mit der Apothekerwaage zugemessen werden? Nilufer! Solle sie dem Kühlen, Hochmütigen zufallen, daß er sich gelassen ihrer bediene? Niemals!
    Osman war in Wahrheit nicht wie Salmenikos kühl und voller Bedenken. Einmal die Zügel gelockert, ging das Roß seiner Begierde mit ihm durch. Ganz durchdrang ihn die Wärme des Mädchenkörpers, und als er sie an sich zog, zitterte seine Stimme.

»Du solltest einen Mann haben, der dich liebt«, brannte er Silbe für Silbe in sie ein.
    »Und wer, meinst du, könnte mich wohl lieben?«
    »Ich«, sagte er. Ihre Münder vermählten sich, und in diesem langen Kuß genoß Osman das Erwachen einer Frau.
    »Nenne mir deinen Namen, Liebster«, bat sie dann.
    »Osman.«
    »Osman . . .?« erschrak sie.
    »Osman Bey«, lächelte er.
    »Osman Bey«, wiederholte sie und schlang ihre Arme um seinen Nacken.

30
    Auch in die Burg Jarhissar ließen die Asanes keine Besucher. Zur Zeit von Nilufers Geburt hatte man wohl die Wehranlagen ausgebaut, ohne dabei jedoch die Schloßräume zu bedenken. Nicht ohne Absicht war das verabsäumt worden; denn auf diese Weise hatte man immer den höflichen Vorwand, daß die Gäste weit besser unten in der Wassermühle am Ainegölssuji aufgehoben seien. In der Tat waren sie es auch. Die Mühle störte kaum. Das Gästehaus war ihr nur lose angegliedert und im übrigen mit allem versehen, was man an Stallungen, Kellern und Küche erwarten durfte. Nur befestigt war die Anlage nicht. Einem Belagerer Jarhissars hätte sie zu leicht als Stützpunkt dienen können, und darum war es ihr bestimmt, im Falle einer Gefahr niedergebrannt zu werden. - Bis jetzt freilich war das dank der vorsichtigen Politik von Salmenikos nie nötig gewesen.
    Nach dem ständig geübten Brauch war demnach Osman ungeachtet Apollonias enger

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